École des chartes » ELEC » Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter » Die Kanzlei der Grafen und Herzöge von Kleve im 14. und 15. Jahrhundert
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[p. 171] Die Kanzlei der Grafen und Herzöge von Kleve im 14. und 15. Jahrhundert

Von den Kanzleien der weltlichen Territorien Nordwestdeutschlands ist die der Grafen und Herzöge von Kleve die einzige, die bereits seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eine umfangreiche Registerführung praktizierte1 und damit auch im Vergleich zu größeren und bedeutenderen Territorien beachtlich früh, wie es scheint, zu einer stabilen Organisation und zu Rationalität und Kontinuität in der Verwaltung des Territoriums fand2. Allein wegen dieser [p. 172] Register verdient die klevische Kanzlei also zweifellos einige Aufmerksamkeit. Umso erstaunlicher ist es, daß diese Register bis heute weder eingehend untersucht noch erschlossen worden sind, obwohl Th. Ilgen schon 1909 nachdrücklich auf ihren hohen Wert hingewiesen hat3 und sie seitdem in den diplomatischen Lehr- und Handbüchern hervorgehoben werden4. Die Struktur und Entwicklung der klevischen Kanzlei ist ebenso wie die fast aller übrigen Territorien dieser Region5 bis heute noch so gut wie unbekannt. Das hat seinen Grund sicher nicht zuletzt darin, daß für diese Territorien eigene Urkunden- oder Regestenwerke fehlen und damit die grundlegenden Voraussetzungen für Untersuchungen, die dem heutigen Methodenstand der Diplomatik angemessen wären6. Da der für solche Untersuchungen unumgängliche Überblick über die Kanzleiproduktion und die Schriftguteingänge nur über eine Durcharbeitung des bekanntlich für das Spätmittelalter umfangreichen und [p. 173] selbst über Archivrepertorien kaum hinreichend zu erfassenden Materials zu erreichen ist, haben sich die wenigen Arbeiten, die bisher überhaupt im Rahmen übergreifender Themenstellungen Fragen der Kanzleientwicklung angeschnitten haben7, auf die Zusammenstellung einiger direkter Aussagen über Notare und Kanzlei beschränkt. Demgegenüber geht der folgende Versuch, die Entwicklung der klevischen Kanzlei zu umreißen, aus von einer ersten systematischen Durchsicht des dem Vortragenden im Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf zur Verfügung stehenden Urkunden- und Registermaterials. Das bedeutet, daß zwar der wichtigere Teil der Überlieferung erfaßt, daß aber die Basis auch dieser Skizze, die in dem gegebenen Rahmen ohnehin nur eine erste Annäherung an das Thema sein kann, immer noch lückenhaft ist. Dennoch dürften die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen schon ein in den Grundzügen den Verhältnissen entsprechendes Bild der Entwicklung bieten und, wie ich hoffe, für die Teilnehmer an dieser Tagung von Interesse sein.

Die Anfänge schriftlicher Tätigkeit der Grafen von Kleve reichen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht über die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück8. 1162 setzt die Reihe der in ihrem Namen ausgestellten Urkunden zögernd ein, nimmt aber erst von der Mitte des 13. Jahrhunderts an deutlicher zu. Aber auch dann bleibt mit einem Durchschnitt von etwa 2 Urkunden pro Jahr die Zahl der Ausfertigungen noch so gering, daß für ihre Herstellung die Unterhaltung einer eigenen Kanzlei zweifellos unnötig oder doch entschieden [p. 174] zu aufwendig gewesen wäre9. Bedauerlicherweise liegen über die Kanzleien der Empfänger dieser Urkunden – mit einer Ausnahme10 – keine Untersuchungen vor, so daß uns eine sichere Basis für die Bestimmung des Ausstellungsmodus fehlt. Der bisher allein mögliche Vergleich der erhaltenen Ausfertigungen untereinander läßt jedoch kaum einen Zweifel daran zu, daß es sich – wie in dieser Zeit nicht anders zu erwarten – überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich um Empfängerausfertigungen handelt11. Es spricht somit einiges dafür, daß die Grafen von Kleve zumindest bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts keine Kanzlei gehabt haben, nicht einmal in der rudimentären Form eines einzelnen kontinuierlich beschäftigten Schreibers. Wieweit die Kapläne der Grafen, die seit 1162 in den Zeugenreihen gelegentlich genannt werden12, also vermutlich wohl an der Führung der Geschäfte mitbeteiligt waren, auch die Urkundsgeschäfte mitgestaltet haben, ist nicht erkennbar. Die sonst übliche oder doch gemeinhin angenommene Identität von Kaplan und Notar13 ist für Kleve jedenfalls nicht belegt.

[p. 175] Ein Notar ist in Kleve erst 1277/78 bezeugt14. Die auffällige Koinzidenz dieser ersten Erwähnung eines Schreibers mit dem Regierungsantritt Dietrichs VIII. (1275–1305) läßt vermuten, daß die Einrichtung einer Schreibstube im Sinne eines ständig beschäftigten Notars eine bewußte Innovation dieses Grafen gewesen ist, die von da an, wie die nicht mehr abreißende Kette der namentlich belegten Notare zeigt, zur festen Einrichtung geworden ist15. Da seit Beginn des 14. Jahrhunderts Kapläne und Notare am klevischen [p. 176] Hof eindeutig nebeneinander tätig waren, wobei die Kapläne dem sich herauskristallisierenden Rat angehören16, ist anzunehmen, daß diese Notare von vornherein nur die eigentlichen Schreibarbeiten erledigten – wie auch die für sie üblich prägnantere deutsche Bezeichnung „scriver‟ andeutet –, während die Aufsicht und Durchführung der Geschäfte beim Rat und innerhalb dessen in erster Linie beim Kaplan lag. Die Einrichtung der Schreiberstelle gegen Ende des 13. Jahrhunderts scheint also eine, wenn auch noch rudimentäre Differenzierung in Verwaltungsspitze und Expeditionsstelle anzudeuten, auf jeden Fall den Beginn einer neuen Form der Zentralverwaltung zu signalisieren.

Deutlichere Konturen gewinnt die klevische Schreibstube aber erst in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Sicheres Zeichen für die geänderte Einstellung zur Schriftlichkeit und zu den Erfordernissen einer intensiveren Verwaltung, die den Aufbau einer Kanzlei forderte und förderte, ist auch in Kleve das Auftreten von internem Schriftgut: Um 1319 ließ Dietrich IX. (1310–1347) das erste Urbar der Grafschaft anlegen17, etwa 1338 das erste Kopiar18. Hatte man sich um die Ausgänge der gräflichen Urkunden bisher gar nicht, um die Eingänge kaum gekümmert, so wurde jetzt der Urkundenbestand geordnet und die noch wesentlichen Urkunden analog zu dieser Ordnung nach Sachgruppen [p. 177] getrennt kopiert und durch einen Index zusätzlich erschlossen19. Die sachthematische Anlage des Kopiars wie die offensichtlich bewußte Auswahl der aufgenommenen Urkunden läßt deutlich erkennen, daß man mit dem Kopiar wie auch mit dem Urbar die umfangreicher gewordenen Besitzungen und Rechte überschaubar und für die Durchsetzung der Territorialherrschaft verfügbar machen, d.h. Verwaltungsinstrumente schaffen wollte20. Die Anregung für diesen ersten wichtigen Schritt in Richtung auf eine schriftliche und damit kontinuierliche und kontrollierbare Verwaltungspraxis haben sich die Grafen von Kleve vermutlich bei ihrer habsburgisch-kiburgischen Verwandtschaft geholt, bei der solche Verwaltungsinstrumente bekanntlich schon seit einigen Jahrzehnten in Gebrauch waren21.

Die Hauptaufgabe der Kanzlei bestand in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts wohl noch eher in dieser Sicherung und Aufbereitung der Rechtstitel als in der Urkundenausfertigung, bei der, wie es scheint, die Empfängerausfertigung weiterhin gebräuchlich blieb22. Sie verliert erst in der Regierungszeit [p. 178] Graf Johanns (1347–1368) an Bedeutung, unter dem die Konstituierungsphase der Kanzlei ihren Abschluß findet. Kennzeichnend für die neue Situation ist etwa, daß die klevische Kanzlei bei einem Ministerialentausch zwischen Graf Johann und dem Abt von Werden 1367 sowohl die Urkunde des Grafen als auch die Gegenurkunde des Abtes ausfertigte, die noch in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts zweifellos in Werden selbst ausgestellt worden wäre23. Anders als zu den Zeiten der Empfängerausfertigungen lag jetzt das primäre Interesse an der schriftlichen Fixierung des Rechtsgeschäftes beim Territorialherrn, dessen Kanzlei zur Urkundsstelle für beide Parteien wird, nicht nur da, wo der Empfänger über keine eigenen Schreibkräfte verfügt24, sondern auch gegenüber anderen kanzleifähigen Partnern.

Die neue Praxis, die Urkundenfertigung grundsätzlich selbst zu übernehmen, führte zwangsläufig zu einer erheblichen Steigerung der Kanzleiproduktion25, die wiederum personelle wie organisatorische Konsequenzen nach sich ziehen mußte. War die Kanzlei bisher kaum mehr als ein Ein-Mann-Betrieb gewesen, so arbeiten jetzt mindestens 3 Notare gleichzeitig nebeneinander26. Die auffälligste Folge dieses Ausbaus für die Urkunden selbst war die jetzt deutlich erkennbare Verwendung eines – sehr schlicht gehaltenen – Formulars27, das die Kanzlei in der jetzt entwickelten Form nahezu unverändert [p. 179] bis zum Ende des 15. Jahrhunderts beibehalten hat28; erst dann kam mit dem Auftreten der eigenhändigen Unterschrift ein wesentlich neues Element hinzu29.

Die wichtigste organisatorische Neuerung, in der sich alle anderen spiegeln und in der die jetzt erreichte Formierung der Kanzlei als festorganisierte Verwaltungsinstitution am deutlichsten zum Ausdruck kommt, war aber zweifellos der Übergang zur Registerführung, der die weitere Entwicklung der klevischen Kanzlei entscheidend prägte. Woher der Anstoß zu dieser für ihre Zeit ja noch durchaus ungewöhnlichen Praxis kam, wird sich kaum präzis feststellen lassen. Wahrscheinlich hat der geistlich gebildete und in der geistlichen Verwaltung erfahrene Graf Johann Anregungen aus diesem Bereich, etwa von der römischen Kurie mitgebracht30. Die Form der ersten Registerbände legt jedoch nahe, nicht nur an äußere Einflüsse zu denken, sondern auch an eine eigenständige Entwicklung aus den sachlichen Zwängen der umfangreicheren Geschäftsführung und der eigenen Kanzleitradition. Schon [p. 180] in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts war die Kanzlei dazu übergegangen, von wichtigeren Ausgängen Einzelkopien zu fertigen oder auch Konzepte als Belege zu verwahren31. Bei größeren Mengen bedurfte eine solche Sammlung einer gründlichen Organisation, wollte man sie benutzbar halten. Vielleicht ging man deshalb in den 50er Jahren dazu über, Kopien bzw. Konzepte nach Sachgruppen geordnet auf einzelnen Lagen zusammenzuschreiben32. Das Vorbild für die formale Anlage dieser Abschriftensammlungen hatte man in der eigenen Kanzlei in dem Kopiar Dietrichs IX., von dem man auch die Gliederung in einzelne Sachbereiche übernahm33. Diese ließ sich dann aber bei einer laufenden Kopierung parallel zur Geschäftsführung, die seit ca. 1360 praktiziert wurde34, offenbar nicht mehr durchhalten, so daß die Kanzlei sie [p. 181] gegen Ende der Regierungszeit Graf Johanns aufgab zugunsten einer einfachen chronologischen Reihung; gleichzeitig beschränkte sie sich mehr und mehr auf die Kopierung der Ausgänge, so daß die Abschriftensammlungen sich zu laufend geführten Auslaufregistern wandelten35. Entscheidend für die Registrierung einer Urkunde war aber auch weiterhin nicht der formale, sondern der funktionale Aspekt. Die Registerführung beschränkte sich – und das gilt in gleichem Maße auch für das 15. Jahrhundert – auf die Bereiche der Vermögens- und der Güter-, der Lehen-, Ämter- und Regalienverwaltung. Wenn sich auch heute noch nicht feststellen läßt, ob alle in diesem Bereich anfallenden Urkunden registriert worden sind oder die Kanzlei bzw. ihre einzelnen Mitglieder noch einmal eine Auswahl trafen, so läßt sich doch festhalten, daß das Ziel der Register offenbar darin bestand, die wirtschaftlichen und rechtlichen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten festzuhalten, die man eingegangen war und auf die man nach bestimmten Fristen zurückkommen mußte. Es ging der Kanzlei bei der Anlage der Register allein darum, im eigenen Interesse der Gefahr vorzubeugen, daß die ausgegebene Urkunde und/oder das Konzept in der eigenen Registratur verlorenging und damit die einzig sichere Grundlage für die weitere Abwicklung des Geschäftes36. Darüberhinaus [p. 182] ermöglichte die buchmäßige Organisation und die Erschließung durch Kopfregesten37, später dann auch durch Indices38 ein gezieltes Suchen und ein zügiges Auffinden; was bei dem ständigen Anwachsen des Geschäftsvolumens zweifellos zur unverzichtbaren Organisationshilfe wurde. Es ist bezeichnend für die genannte spezifische Funktion der Register, daß man bei den Schriftstücken des politischen wie des privaten Bereichs auf die Registrierung verzichtete und sich auf die Sammlung der Eingänge beschränkte, die – sofern es sich um Urkunden handelte – mit Rückvermerken versehen und in Kisten gelagert39, im übrigen wohl weitgehend unorganisiert aufbewahrt wurden40.

Gegen Ende der Regierungszeit Graf Johanns (1368) verfügte die klevische Kanzlei über eine Schriftgutorganisation, die in einer Einlaufserie, den Auslaufregistern und einer vermutlich wenig geordneten Ablage sonstigen Schriftgutes bestand. Diesem relativ hohen Organisationsgrad entspricht, daß die Kanzlei jetzt auch rein äußerlich büromäßig faßbar wird. 1367 wird die [p. 183] „scryvecamer‟ (der Begriff „Kanzlei‟ wird in Kleve erst von der Mitte des 15. Jahrhunderts an gebräuchlich41) erstmals erwähnt, als dort Quittungen für Zahlungen eingehen, die der klevische Drost Heinrich von Issum an verschiedene Gläubiger des Grafen geleistet hatte42. Schon zu diesem Zeitpunkt war sie demnach nicht nur Schreibbüro und Registratur, sondern auch Anlaufstelle für die nachgeordneten Beamten und die sonst an den Grafen herantretenden Parteien, also bereits Kanzlei im Sinne eines Geschäftslokals der Zentralverwaltung; die man sich allerdings noch nicht allzu behördenmäßig vorstellen sollte. Graf Johann selbst umschreibt die Gruppe am Hof, die u.a. auch die anfallenden Verwaltungsgeschäfte erledigte, 1366 als „nostrorum capellanorum et clericorum consortio‟43 und macht damit deutlich, daß der Hof noch mehr eine Lebensgemeinschaft als eine Behörde war, daß man eben doch noch in den Kategorien der mittelalterlichen Familia und nicht in den denen der modernen Beamtenverwaltung dachte.

Die Organisation der Kanzlei, wie sie unter Graf Johann ausgebildet worden war, blieb im Prinzip bis weit ins 15. Jahrhundert unverändert. Der Dynastiewechsel 136844 brachte für die Kanzlei nur eine Neuerung mit sich, nämlich die Führung von Lehensregistern. Bis dahin waren, wie allgemein üblich, über den im Prinzip mündlichen Belehnungsakt nur bei besonderen Anlässen seit dem 13. Jahrhundert Urkunden ausgestellt worden45, die dann [p. 184] im 14. Jahrhundert auch wie die übrigen zur Geschäftsführung notwendigen Stücke im Register eingetragen wurden. Grundsätzlich wurde dieses Verfahren bis ins 15. Jahrhundert beibehalten, seit 1370 aber zusätzlich Lehenaktregister angelegt, wie sie im Laufe des 14. Jahrhunderts in Deutschland weithin üblich geworden waren46. Den Anstoß für die Anlage dieser Register hat aller Wahrscheinlichkeit nach Graf Adolf (1368–1394) selbst gegeben, der bei seinem Lehrer Levold von Northoff in Lüttich die Führung solcher Lehenaktregister als jüngste Errungenschaft kennengelernt tatte47; der eigentliche Grund für ihre Einführung dürfte aber wohl darin zu suchen sein, daß der neue Herr die Verhältnisse nicht mehr persönlich kannte und deshalb der Aufzeichnung bedurfte, um Doppelbelehnungen oder Lehensentfremdung zu vermeiden. Den Vorbildern und der prinzipiellen Schriftlosigkeit des Verfahrens entsprechend wurden zunächst ausschließlich Aktnotizen in die Register [p. 185] eingetragen. Von 1410 an kommen Abschriften von Belehnungsurkunden und Reversen hinzu48, dann auch Korrespondenzen und interne Vermerke, so daß sich bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts das Aktregister zu einer Geschäftsregistratur in Buchform entwickelt hat49.

Eine ähnliche Entwicklung nehmen auch die überkommenen Urkundenregister, in die seit dem Ende des 14. Jahrhunderts neben Kopien der Ausläufe zunehmend Notizen über mündlich vorgenommene Akte und auch wieder Eingänge eingetragen werden. Die Auslaufregister wandeln sich demnach zu Aufzeichnungen über die vom Herzog und seinem Rat verhandelten Geschäfte, unabhängig davon, ob diese zur Ausstellung einer Urkunde führten oder nicht50. Charakteristisch für die Register bleibt aber, daß sie nur einen Teil des anfallenden Schriftgutes aufnehmen, d.h. daß sie weiterhin nach der Relevanz für die weitere Geschäftsführung selektieren51. Den organisatorisch logischen [p. 186] Schritt zur Führung einer regelrechten Serienregistratur hat die Kanzlei also nicht vollzogen; ganz im Gegenteil ist die Entwicklung in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wieder rückläufig, d.h. Eingänge und internes Schriftgut werden in den Registern wieder seltener, die erneut in zunehmendem Maße zu reinen Auslaufregistern werden; eine Entwicklung, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Aufkommen der Sachaktenführung in Verbindung steht52.

In dem skizzierten Strukturwandel der Register spiegelt sich die Intensivierung der schriftlichen Geschäftstätigkeit in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts, die zu einer Vervielfachung des anfallenden Schriftgutes führte53. Das damit auftauchende Mengenproblem bewältigte die Kanzlei mit einer durchgreifenden Reform der überkommenen Schriftgutverwaltung. 1429 wurde die Serie der Eingänge mit Kurzregesten in einem speziellen Archivrepertorium verzeichnet und damit das Kopiar von 1368 zeitgemäß ersetzt. Die Urkunden lagen jetzt in einem eigenen Archivraum in 5 signierten Kisten nach Pertinenzen geordnet, die nach einem mnemotechnischen System gekennzeichnet waren54. Das zweite „Bein‟ der Schriftgutführung, die Register, wurden in den folgenden Jahren ebenfalls neu strukturiert. Von 1432 an wurden je eigene [p. 187] Register für die Lehen und die Präsentationen angelegt55 und damit die bisherige allgemeine Registerführung in die Teilserien registra causarum, feudorum und presentationum aufgespalten, in denen sie bis ins 18. Jahrhundert geführt worden sind. Die bis dahin entstandenen älteren Registerbände wurden zu einer Serie zusammengestellt und durchsigniert und so nach rückwärts an die neugebildeten Teilserien angebunden, woraus unmittelbar deutlich wird, daß sie für die Verwaltung keineswegs totes Registraturgut waren56. Die Anlage von Indices sowohl für die einzelnen Bände wie auch übergreifend für ganze Gruppen57 und schließlich die Anlage von Parallelserien für die märkischen Lehen und causae nach der endgültigen Angliederung der Grafschaft Mark 146158 vollendeten die Neuorganisation der Register, die in der 1463 neu erbauten Kanzlei aufgestellt wurden59. Dort dienten sie, wie die zahlreichen Streichungen und Zusätze unmittelbar deutlich machen, bis weit [p. 188] in die Neuzeit als Grundlage der laufenden Geschäftsführung. Sie waren, was allein schon der ungewöhnliche Aufwand der Serienbildung verdeutlicht, seit der Mitte des 14. Jahrhunderts das Pro-Memoria der Kanzlei, hatten also die Funktion, den Überblick über die getätigten Geschäfte zu ermöglichen und als Informationsspeicher für die zukünftige Geschäftsführung zu dienen60. Spätestens seit der Mitte des 15. Jahrhunderts kam ihnen darüber hinaus aber auch noch eine gewisse juristische Beweisfunktion zu, deren genauer Umfang noch eingehender Analyse bedarf61.

Während die Schriftgutorganisation somit in Kleve um die Mitte des 15. Jahrhunderts zu einem relativ hoch differenzierten und allem Anschein nach effizienten Verwaltungsinstrument ausgebaut worden war, blieb die Geschäftsorganisation der Kanzlei erstaunlich lange nahezu unverändert. Das Personal bestand bis zum Ende des Jahrhunderts im Kern aus 4 „secretarii‟, zu deutsch nach wie vor schlicht „scriver‟ genannt, war also kaum umfangreicher als zur Zeit des Grafen Johann62. Es sind weiterhin in der Regel, wenn [p. 189] auch nicht durchweg Geistliche63 bürgerlicher, ja bäuerlicher Herkunft, die im landesherrlichen Dienst Karriere machen64. Entscheidend war die, zumindest zum Teil schon akademische Vorbildung65, nicht der geistliche Stand, der dem Herzog nur die nützliche Möglichkeit bot, diese Leute mit Pfründen zu versorgen, während er Laien auf eigene Kosten unterhalten mußte. Eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Sekretäre wird es dem Ansehen nach gegeben haben; auch eine gewisse Arbeitsteilung ist zu erkennen. Andererseits sind dieselben Hände gleichzeitig in den verschiedenen Registern und bei den Ausfertigungen nachzuweisen, so daß es eine grundsätzliche Trennung nach Aufgabenbereichen nicht gegeben haben kann, vielmehr die Sekretäre nach Bedarf und Verfügbarkeit für alle anfallenden Schriftgeschäfte eingesetzt worden sind; darüber hinaus hatten sie auch die sachliche Vorbereitung der Ratsverhandlungen zu leisten, fungierten als Zeugen z. B. bei Belehnungen und als Geschäftsträger des Herzogs bei verschiedensten Geschäften66. Ein eigentlicher Kanzleichef, wie er anderswo als cancellarius oder prothonotarius [p. 190] erscheint, ist in Kleve nicht faßbar. Von der Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts ist der Spitzenbeamte der Zentralverwaltung, wie es scheint, der Landrentmeister67, ansonsten ist man organisationsmäßig mit Herzog und Rat als Entscheidungsgremium68 und der Kanzlei, d.h. der Summe der verfügbaren Schreiber, als ausführendem Organ ausgekommen, wobei vermutlich die persönliche Geschäftsführung des Herzogs eine weitere Differenzierung und Kompetenzregelung überflüssig machte. Erst als die häufigere Abwesenheit des Herzogs in den 40er Jahren es nötig machte, die Geschäftsführung öfter den Räten zu übertragen, profilierte sich das mit der inhaltlichen wie technischen Seite der Geschäfte am besten vertraute Mitglied des Rates, der Rentmeister Heinrich Nyenhuis, soweit als Chef der Verwaltung, daß er von den Zeitgenossen als „secundus dominus territorii Clivensis‟ [p. 191] apostrophiert wurde69. Es ist kennzeichnend für die noch unverfestigte Struktur, daß es in Kleve für diese neue Position des „Altrentmeisters‟ keinen Titel gab, so daß er, wie auch noch sein Nachfolger Hermann von Brakel, nur als „die praist‟ bezeichnet wird#70, nach der 1442 eigens als Amtspfründe für den Verwaltungschef eingerichteten Propstei Kleve71. Erst gegen Ende des Jahrhunderts wird der Titel „Kanzler‟ für diesen neuen Spitzenbeamten der Verwaltung gebräuchlich72, zur selben Zeit als in Kleve auch erstmals die Geschäftsordnung der Zentralverwaltung in den Grundzügen schriftlich fixiert wurde73. Die bis dahin auf persönlicher Weisung statt fester Kompetenzenregelung [p. 192] basierende Geschäftsführung hatte zur Folge gehabt, wie aus den Klagen der Räte 1486 deutlich hervorgeht74, daß die Kanzlei fallweise auf direkten Befehl des Herzogs oder einer von diesem tatsächlich oder vermeintlich beauftragten Person arbeitete, wodurch es zu Doppelaufträgen, Widersprüchen, unkontrollierten Beeinflussungen des Kanzleipersonals und anderen Willkürlichkeiten kam. Auf Drängen der Räte wurde das Kanzleipersonal deshalb 1486 dem Rat direkt unterstellt und darauf vereidigt, nur auf dessen Befehl zu arbeiten75. Alle Eingänge mußten, wenn sie nicht direkt an den Rat gelangten, einem der Schreiber übergeben werden, der sie nach entsprechender Vorbereitung an den Rat zur weiteren Geschäftsbehandlung weiterleitete. Auch der Herzog selbst hatte die an ihn unmittelbar gelangenden Eingänge in diesen Geschäftsgang zu geben, in den selbst die mündlichen Verhandlungen mit einbezogen wurden76. Die Einführung fester Bürostunden für Räte und Schreiber77 markiert auch äußerlich, daß sich 1486 in Kleve Rat und Kanzlei zu einer von der persönlichen Geschäftsführung des Herzogs unabhängigen Zentralbehörde formiert haben, die in ihrer Kompetenz umfassend, in ihrer Struktur noch wenig gegliedert ist, aber behördenmäßig der Ausgangspunkt für die differenzierte landesherrliche Regierung des 16. Jahrhunderts war.


1 Die Serie der Kanzleiregister setzt ein mit dem Kopiar von ca. 1338 bzw. dem seit 1360 laufend geführten, aber bis 1349 zurückreichenden registrum comitis Johannis; vgl. dazu noch unten. Einen zwangsläufig recht groben Überblick über die erhaltenen Bände gibt: Das Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und seine Bestände, Bd. 5, bearb. von F.W. Oediger, Siegburg 1972, S. 197–207 für die registra causarum; Bd. 1, Siegburg 1957, S. 234 für die registra presentationum; Bd. 1, S. 215 und Bd. 2, Siegburg 1970, S. 491 f. sowie Bd. 8, Siegburg 1974, S. XI–XIV für die registra feudorum. Zusammen umfaßt die Serie, die bis ins 18. Jh. lückenlos erhalten ist, bis 1521 ohne Doppelstücke und Abschriften 36 starke Foliobände.

2 Diese Wertung der Registerführung für die Kanzleientwicklung ist unbestrittenes Allgemeingut der Forschung, vgl. z. B.O. Redlich, Die Privaturkunden des Mittelalters, München-Berlin 1911, S. 162; oder prägnanter H. Bansa, Die Register der Kanzlei Ludwigs des Bayern, Bd. 1, München 1971 (Quellen und Erörterungen zur bayer. Gesch. NF 24, 1) S. 15*: „Wenn eine Kanzlei anfängt … Register zu führen, so ist dies ein Zeichen dafür, daß sie sich von einer einfachen Produktionsstelle für Beweismittel … zu einer Verwaltungsinstitution entwickelt hat‟.

Früher als in Kleve setzt die Registerführung im weltlichen Bereich (abgesehen von den Königskanzleien), soweit ich sehe, ein in den Grafschaften Hennegau (nach Ansätzen 1294/1300 laufend ab 1306, vgl. M. Bruwier, Etudes sur les cartulaires de Hainaut, in: Bulletin de la commission royale d’histoire 115, 1950, S. 173–217), Tirol (1308, vgl. A. Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs, Köln-Graz 1963 (MIÖG Erg.-Bd. 19, S. 78); Holland (vor 1317, vgl. Th. v. Riemsdijk, De tresorie en kanselarij van de graven van Holland en Zeeland uit het Henegouwsche en Beiersche huis, La Haye 1908, bes. S. 477 ff.); Flandern (erhalten ab 1330, vgl. J. Buntinx, De XIVe-eeuwse kanselarij-registers van het graafschap Vlaanderen, in: Bulletin de la commission royale d’histoire 113, 1948, S. 205–221); ferner in Brandenburg (1333, vgl. Redlich, a.a.O., S. 163) und in der Dauphiné (1336, vgl. Ch. Reydellet-Guttinger, La chancellerie d’Humbert II dauphin de Viennois 1333–1349, in: AD 20, 1974, S. 241–383, bes. S. 337 ff.). Etwa gleichzeitig mit Kleve setzt sie ein in Österreich (1353, allerdings mit einem vereinzelten Vorläufer 1313/15, vgl. O. Stowasser, Die österreichischen Kanzleibücher vornehmlich des 14. Jh. und das Aufkommen der Kanzleivermerke, in: MIÖG 35, 1914, S. 688–724) und in der Pfalz (1354, vgl. H. Rall, Urkundenwesen, Kanzlei und Rat der Wittelsbacher Pfalzgrafen bei Rhein und Herzoge von Bayern 1180/1214–1436/1438, in: Grundwissenschaften und Geschichte, Fs. P. Acht, hg. v. W. Schlögl und P. Herde, Kallmünz 1976, S. 274–294, bes. S. 285).

3 Th. Ilgen, Die wiederaufgefundenen Registerbücher der Grafen und Herzöge von Cleve-Mark, Leipzig 1909 (Mitt. d. kgl. preuß. Archivverwaltung 14). Diese noch immer grundlegende Übersicht diente nur dazu, den Bestand vorzustellen und seinen Quellenwert zu erläutern. Die für ein Verständnis der Registerführung notwendige Analyse der einzelnen Bände konnte und wollte Ilgen an dieser Stelle nicht leisten, wenn er auch manche wichtige Detailbeobachtung mitgeteilt hat; sie ist ein Desiderat geblieben.

4 Verwiesen sei nur auf H. Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 1, 2. Aufl. Leipzig 1912, S. 143.

5 Eine diplomatisch fundierte Untersuchung liegt bisher nur für die Grafschaft Arnsberg vor: F. Zschaeck, Das Urkundenwesen der Grafen von Arnsberg, in: AUF 8, 1923, S. 281–327.

6 Ausnahmen sind das Urkundenbuch der Stadt Krefeld und der alten Grafschaft Moers, bearb. von H. Keussen, 5 Bde., Krefeld 1938–1940, das aber in vieler Hinsicht unvollkommen ist; und das Oorkondenboek der graafschappen Gelre en Zutfen tot op den slag van Woeringen, uitgeg. door L.A.J.W. Baron Sloet, 2 Bde., S’Gravenhage 1872–1876, das aber nur bis 1288 reicht. Die übergreifenden Urkundenbücher, wie besonders das Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, hg. v. Th. J. Lacomblet, 4 Bde., Düsseldorf 1840–1858 (im folgenden zitiert: UB Niederrhein) und das Westfälische Urkundenbuch, hg. vom Verein für Gesch. und Altertumskunde Westfalens, bisher 10 Bde., Münster 1847–1978 (im folgenden zitiert: WUB) können diese Lücke nicht schließen.

7 Zu nennen ist hier für die klevische Kanzlei: K. Schottmüller, Die Organisation der Centralverwaltung in Cleve-Mark vor der brandenburgischen Besitzergreifung 1609, Leipzig 1897, S. 40–60; dazu die Rez. von Küch in Düsseldorfer Jb 12, 1897, S. 283–288. E. Knecht (-Stachelscheid), Die Verwaltungsorganisation im Territorium Kleve und ihre Reformen unter dem Grafen und späteren Herzog Adolf (1394–1448), Diss. Köln 1958, S. 38–48. D. Kastner, Die Territorialpolitik der Grafen von Kleve, Düsseldorf 1972 (Veröff. d. Hist. Vereins für den Niederrhein 11) S. 170 f. W. Janssen, Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250–1350, in: AnnHistVNiederrh 173, 1971, S. 85–122, bes. S. 92–94. Für den nordwestdeutschen Raum insgesamt faßt den derzeitigen dürftigen Forschungsstand neuerdings zusammen G. Droege, in: Dt. Verwaltungsgeschichte, hg. von K.G.A. Jeserich u.a., Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, Stuttgart 1983, S. 690–741.

8 Früher liegt nur ein Bericht des Grafen Arnold an den Abt von S. Vaast d’Arras von 1120 März 7 (vgl. Th. Ilgen, Quellen zur inneren Geschichte der rhein. Territorien, Herzogtum Kleve I: Ämter und Gerichte, 2 Bde., Bonn 1925 [Publ. d. Ges. f. rhein. Gesch.-kde. 38], Bd. 2, 1 S. 4–6). Die Urkunde ist aber ausgefertigt vom Propst von S. Vaast und gesiegelt von Hg. Gottfried VII. von Lothringen und belegt damit m. E. direkt, daß den Grafen von Kleve zu dieser Zeit das Ausstellen von Urkunden noch fremd war.

9 Bis 1200 sind mir bisher nur 11 Urkunden der Grafen von Kleve bekannt, davon ist eine (WUB 2 Nr. 330 von 1163) nach M. Petry, Die ältesten Urkunden und die frühe Geschichte des Prämonstratenserstiftes Cappenberg, in: AD 18, 1972, S. 168 und 283 f. gefälscht, so daß sich für 1162–1200 ein Schnitt von 0,25 pro Jahr ergibt. Der Anstieg erfolgt dann deutlich in der Regierungszeit Dietrichs VI.: 1202–1219: 1; 1220–1229: 4; 1230–1239: 9; 1240–1249: 9; 1250–1259: 16. In der 2. Hälfte des Jahrhunderts bleibt die Produktion dann fast konstant: 1260–1275: 31; 1275–1305: 57, also durchschnittlich ca. 2 pro Jahr, wobei selbstverständlich offen bleibt, wie vollständig unsere Überlieferung ist. Wesentliche Lücken sind aber wohl kaum anzunehmen, da die Zahlen in etwa den Produktionsziffern anderer weltlicher Kanzleien entsprechen. Nach den bei Redlich (wie Anm. 2) S. 130 f. angegebenen Zahlen ergibt sich für Meißen z. B. 1200–1250 ein Schnitt von 0,72 pro Jahr, 1250–1300 von 4,96; für Kärnten in derselben Zeit 0,68 bzw. 1,06 pro Jahr.

10 S. die Anm. 9 genannte Arbeit über Cappenberg, nach der die genannte Fälschung von 1163 und eine undatierte Urkunde Dietrichs V. von ca. 1190 dem Cappenberger Schreiber C 1 zuzuordnen sind (a.a.O., S. 166–168, 283 f.).

11 Zum Verhältnis von Aussteller- und Empfängerausfertigungen in verschiedenen Kanzleien 1150–1300 s. die Tabelle bei Redlich (wie Anm. 2) S. 130 f. Danach sind z. B. auch für die Markgrafen von Meißen bis 1250 ausschließlich Empfängerausfertigungen belegt.

12 Vgl. UB Niederrhein, Bd. 1 Nr. 404.

13 Vgl. Redlich (wie Anm. 2) S. 156. Für die niederrheinischen Territorien ist diese Identität generell nur sehr selten belegt, so einmal für Geldern 1233 und einmal für Jülich 1320, vgl. die Belege bei Janssen (wie Anm. 7) S. 93 Anm. 31. Die Unterstellung, jeder genannte Kaplan sei auch Notar gewesen, die den Angaben zum Kanzleipersonal bei Janssen a.a.O. und bei Kastner (wie Anm. 7) S. 170 f. zugrundeliegt, ist nur zu halten, wenn man voraussetzt, daß es am Hof jeweils nur einen Geistlichen und nur einen Kaplan gegeben hat. Diese Prämisse aber ist fragwürdig, da z. B. die Grafen von Kleve gleichzeitig Kapläne auf den Burgen Monterberg und Kleve gehabt haben! Es bleibt zu untersuchen, seit wann man von einer Klerikergruppe am Hof ausgehen kann, wie sie 1366 in Kleve belegt ist (vgl. unten Anm. 43), und ob das Verhältnis Kapelle/Kanzlei dann nicht dem entspricht – selbstverständlich in bescheidenerem Rahmen –, das J. Fleckenstein, Die Hofkapelle der dt. Könige, 2 Bde., Stuttgart 1959–1966 (Schriften der MGH 16) für die Königskanzlei herausgearbeitet hat. Vgl. dazu auch noch unten Anm. 16.

14 Stadtarchiv Wesel Urk. 1277 Juli 20: Gerlacus notarius noster. Derselbe dann 1278 Jan. 18 UB Niederrhein Bd. 4 Nr. 673.

15 Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Notare bis zum Ende des 15. Jh. nachzuweisen; ich beschränke mich deshalb auf die bis zum Ende des 14. Jh. genannten, um die Kontinuität zu verdeutlichen. Die angegebenen Jahreszahlen beziehen sich auf das Jahr der ersten und letzten Nennung als Notar.

1290–1307 Johann von Klarenbeck; vgl. die Belege bei Kastner (wie Anm. 7) S. 171 Anm. 429 und Janssen (wie Anm. 7) S. 93 Anm. 31, die zu ergänzen sind um Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (im folgenden zitiert: HStAD) Wesel Franziskanessen Urk. 1 und R. Scholten, Die Stadt Cleve, Cleve 1879, S. 39 Anm. 2.

1316–1321 Arnold gen. Schincke von Boderbergh; vgl. Kleve-Mark Urkunden 1223 bis 1368, Regesten des Bestandes Kleve-Mark Urkunden im NW Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, bearb. von W.-R. Schleidgen, Siegburg 1983 (im folgenden zitiert: Regesten Kleve-Mark), Nr. 151; L.A.J.W. Baron Sloet, Het hoogadelijk vrij wereldlijk stift te Bedbur bij Kleef, Amsterdam 1879, Oorkonde Nr. 61.

1342 Konrad Scholleken; vgl. W. Classen, Das Erzbistum Köln, Archidiakonat Xanten (Germania Sacra III, 1) Berlin 1938, S. 371.

vor 1350 Jordan Propst von Wissel; vgl. Regesten Kleve-Mark Nr. 346.

1354–1358 Henricus; vgl. F. Gorissen, Regesten zur politischen Geschichte des Niederrheins I: Stadtrechnungen von Wesel, 4 Bde., Bonn 1963 (Publ. d. Ges. f. rhein. Gesch.-kde. LV) Bd. 1, S. 103, 111, 126; er ist wahrscheinlich identisch mit

1359–1364 Henricus Boto; vgl. Gorissen, a.a. O., S. 131, 144, 161 und HStAD, Hs. A III 7 Bl. 44 b.

1360–1364 Hermann Sobbeken, vgl. Janssen, a.a. O.

1372–1393 Wessel Swartkopp, vgl. Gorissen, a.a. O., S. 200, Classen, a.a. O., S. 318 f.

1379–1383 Adolf von Suitkamen; vgl. HStAD Hs. A III 10 Bl. 92 b, A III 12 Bl. 30 b.

1396–1401 Johann von Wengern; vgl. Gorissen, a.a. O., Bd. 2 S. 213, 238, 240, Bd. 3 S. 50; Classen, a.a. O. S. 127, 369. Selbstverständlich sind damit nicht alle Notare erfaßt, wie allein die wechselnden Hände in den Registern der 2. Hälfte des 14. Jh. zeigen. 1361 Juli 24/25 z. B. lassen sich an einer Gruppe von 4 Ausfertigungen und den dazugehörigen 7 Registereinträgen 3 Hände nachweisen, wobei teils Ausfertigung und Registereintrag von derselben Hand geschrieben sind, teils die Ausfertigung von der einen, der Registereintrag von der anderen (HStAD, Kleve-Mark Urk. 428–431 und Hs. A III! Bl. 14 a und 61). Neben den oben genannten Henricus Boto und Hermann Sobbeken hat es 1361 also noch einen dritten Notar gegeben; ähnliches dürfen wir für die übrige Zeit annehmen.

16 Die Behauptung von Kastner (wie Anm. 7) S. 170, die Kapläne von Kleve und Monterberg hätten als Notare gedient, ist in dieser Form nicht zu halten. Keiner der Anm. 14, 15 genannten Notare ist auch als Kaplan belegt und andererseits keiner der von Kastner angeführten Kapläne als Notar. Dagegen ist das Nebeneinander von Notar und Kaplan z. B. 1321 April 25 direkt bezeugt: „Acta sunt hec presentibus … Johanne capellano castri Clivensi … Arnoldo investito de Appeldaren notario nostro‟ (Sloet, wie Anm. 15, Oorkonden Nr. 61). Das schließt natürlich nicht aus, daß auch die Kapläne sich an den Kanzleigeschäften noch beteiligt haben, aber dann nicht als Notar, sondern als schreibkundiger Rat! Zum Kaplan als Mitglied des Rates vgl. z. B. UB Niederrhein 3 Nr. 297: „by rade … hern Riquins van Birt ons capellains‟ (1335) und ebda. Nr. 373 (1342), wo derselbe Riquin unter den „nostros fideles et consiliarios‟ aufgeführt wird. Zur Entstehung des Rates in Kleve in der 1. Hälfte des 14. Jh. vgl. Ilgen (wie Anm. 8) Bd. 1 S. 596 f., Kastner, a.a. O., S. 168 und Janssen (wie Anm. 7) S. 107 ff.

17 Vgl. Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen Territorien, Grafschaft Kleve 2: Das Einkünfteverzeichnis des Grafen Dietrich IX., hg. von F.W. Oediger, 2 Teile, Düsseldorf 1982 (Publ. d. Ges. f. rhein. Gesch.-kde. 38).

18 HStAD Hs. A III 2. Zur Datierung vgl. Regesten Kleve-Mark S. VII Anm. 4.

19 Das Kopiar ist gegliedert in die Abschnitte: littere regales, collegiorum, ministerialium, de castris, feodalium, speciales, Westphalorum captivorum. Die Urkunden lagen in einzelnen Kästen in einer Kiste, wie aus einer Bemerkung des Kopisten über nicht aufgenommene Urkunden hervorgeht: „Diverse et multe littere non necessarie nec copiate iacent reposite in cista sculpta et depicta … alie … in den eyndelscrijn maioris ciste‟ (HStAD Hs. A III 2 Bl. 2 a). Die Parallelität von Lagerordnung und Kopiar läßt sich aus dem Index erschließen, in dem – allerdings nur bei der ersten Gruppe – zu jeder Urkunde ein Kennbuchstabe gesetzt ist.

20 Darauf hat schon Ilgen (wie Anm. 3) S. 13 aufmerksam gemacht: „Eine Anordnung des Stoffes, die offenbar dem Stand und den Bedürfnissen der damaligen Regierung und Verwaltung angepaßt ist‟.

21 Dietrich VIII. von Kleve hatte 1290 Margarete von Kiburg, die Tochter Eberhards von Habsburg-Laufenberg und der Anna von Kiburg geheirater (vgl. Kastner, wie Anm. 7, S. 61 f., 188). Die ältesten landesherrlichen österreichischen Urbare reichen aber bis in die 2. Hälfte des 12. Jh. zurück (vgl. Lhotsky, wie Anm. 2, S. 102); in der Grafschaft Kiburg wurde das erste 1264 angelegt (vgl. Redlich, wie Anm. 2, S. 159); und unter Kg. Albrecht, zu dem Dietrich VIII. enge Beziehungen hatte (vgl. Kastner, a.a. O., S. 77 ff.), entstand 1303/08 das große habsburgische Urbar (vgl. Lhotsky, a.a. O.).

22 Dafür spricht auch die immer noch geringfügige Zahl der von der Kanzlei besorgten Ausfertigungen. Für Dietrich IX. (1310–1347) sind bisher 121 bekannt, das entspricht einem Schnitt von ca. 3,3 pro Jahr. Zu beachten ist allerdings, daß die Kanzlei jetzt auch Empfängerausfertigungen schreibt. So hat eine klevische Kanzleihand, die mehrfach im Kopiar nachzuweisen ist (z. B. HStAD Hs. A III 2 Bl. 64 a, 85 b) auch die Ausfertigungen der Lehensreverse des Johann von Hagenbeck von 1338 April 7 und des Rutger von Dungelen von 1338 April 23 (vgl. Regesten Kleve-Mark Nr. 230, 233) geschrieben und die Urkunden selbst im Kopiar eingetragen (HStAD Hs. A III 2 Bl. 56 b–57 b)! Die Kanzleiproduktion muß also insgesamt höher angesetzt werden; genaue Zahlen werden sich aber wohl nie geben lassen.

23 Vgl. Regesten Kleve-Mark Nr. 536. Die Urkunde des Abtes Heinrich von Werden ist von derselben Hand geschrieben wie der Registereintrag der Gegenurkunde Graf Johanns in HStAD Hs. A III 9 Bl. 12 a. Obwohl sich die Gegenurkunde des Grafen im Werdener Archiv nicht erhalten hat, kann kein Zweifel daran bestehen, daß derselbe Notar beide Ausfertigungen und den Registereintrag geschrieben hat.

24 In solchen Fällen hat die Kanzlei schon in den 30er Jahren die Ausfertigung übernommen, vgl. die Anm. 22 genannten Lehensreverse. Die gleichzeitige Ausfertigung dieser Reverse und ihre Eintragung ins Kopiar rücken das Kopiar strukturell deutlich in die Nähe der ersten Register, da es sich bei diesen Urkunden genaugenommen um Kanzleiausgänge handelt, wenn auch auf den Namen des Empfängers ausgestellt. Bezeichnenderweise ist im übrigen der letzte Eintrag im Kopiar eine Urkunde Dietrichs IX. von 1343 Okt. 9 (HStAD Hs. A III 2 Bl. 31 b), also ein ‚regelrechter‛ Ausgang. Es ergibt sich hier eine gerade Entwicklung vom Kopiar zum ersten Register Graf Johanns! Vgl. dazu auch noch unten.

25 Allein in den Registern Graf Johanns, die, wie weiter unten gezeigt ist, nur einen Teil des angefallenen Schriftgutes erfassen, sind für 1348–1368 rund 700 Ausfertigungen überliefert; das ergibt im Durchschnitt rund 35 pro Jahr, also etwa eine Verzehnfachung gegenüber der 1. Hälfte des Jahrhunderts, vgl. Anm. 22.

26 Vgl. oben Anm. 15.

27 Es ist an dieser Stelle nicht möglich, den Nachweis dafür im einzelnen zu führen. Ein einfaches, aber deutliches Indiz für die Verwendung eines festen Formulars durch die Kanzlei ist die Ersetzung der Formularteile von Publicatio, Corroboratio und Datumszeile durch „etcetera‟ in den Registern. So schon, wenn auch noch selten, im ersten Register z. B. HStAD Hs. A III 4 Bl. 7, Bl. 18 usw.; fast regelmäßig dann im letzten Register Graf Johanns, z. B. HStAD Hs. A III 9 Bl. 5: „Wi Johann greve etcetera … In orconde etcetera‟.

28 Soweit aus den im HStAD im Bestand Kleve-Mark erhaltenen Ausfertigungen ersichtlich, ist die einzige Änderung im Formular, abgesehen von geringfügigen stilistischen Varianten, die Erweiterung der Intitulatio um „van goidz gnaden‟ nach der Erhebung zum Herzogtum 1417. Auch in den äußeren Merkmalen sind im 15. Jh. nur geringfügige Änderungen festzustellen, so eine etwas üppigere Gestaltung der Eingangsinitiale, die Verwendung feineren Pergaments, die Vergrößerung des Umbugs und Verbreiterung der Pressel. Abweichungen von der Norm sind sehr selten und haben dann deutlich erkennbar besondere Ursachen, wie z. B. HStAD Kleve-Mark Urk. 1963 (1450 März 13) und Urk. 2224 (1464 Sept. 10), die beide nach burgundischem bzw. französischem Vorbild gefertigt sind, offensichtlich nach dem Geschmack der Empfänger, des Herrn von Ravenstein bzw. des Grafen von Charleroi.

29 Erster Beleg ist eine Quittung für den Hofmarschall Henrich Staill von 1485 Sept. 16, HStAD Kleve-Mark Urk. 2572. Die eigenhändige Zeichnung bleibt aber doch bis zum Ende des Jahrhunderts noch die Ausnahme.

30 Graf Johann, der vor seinem Regierungsantritt 1347 Kanonikate in Köln, Trier, Mainz, Utrecht, Rees und Xanten innegehabt hatte, päpstlicher Kaplan, Domscholaster in Mainz und Domdekan in Köln gewesen war (vgl. Janssen, in: NDB 10, Berlin 1974, S. 491 f.), hat zweifellos über so weitreichende und vielfältige Kontakte verfügt, daß eine Beeinflussung von vieler Seite her möglich ist; die Kurie scheint mir aber hier noch am ehesten als Vorbild in Frage zu kommen. Zu Einflüssen vgl. auch Ilgen (wie Anm. 3) S. 15 f., der z. B. an Holland denkt; aber auch Flandern und Österreich kämen in Frage, vgl. oben Anm. 2 und Anm. 21. Die Tendenz zur Registerführung war in der Kanzlei jedenfalls schon vor dem Regierungsantritt Johanns vorhanden, vgl. oben Anm. 24, so daß beide Elemente, die äußeren Einflüsse wie die eigenständige Entwicklung zweifellos zusammengesehen werden müssen.

31 Z.B. Regesten Kleve-Mark Nr. 178 (1325), 267 (1343). Ein besonders schönes Beispiel ist die Urkunde über die Erneuerung der Stadtprivilegien von Orsoy 1351 (vgl. Regesten Kleve-Mark Nr. 354), deren Ausfertigung sich ordnungsgemäß im Archiv der Stadt befindet (HStAD, Dep. Stadt Orsoy Urk. 1), ein zweites, nicht vollzogenes Mundum aber im klevischen Archiv (HStAD, Kleve-Mark Urk. 330), offensichtlich als Registraturbeleg. Ein Konzept z. B. Regesten Kleve-Mark Nr. 540.

32 Die Register sind in der heute vorliegenden Form erst im 16. Jh. gebunden worden (vgl. Ilgen, wie Anm. 3, S. 12). Dabei wurde gerade bei den ersten Bänden (HStAD Hs. A III 4, 7, 9) die ursprüngliche Ordnung z. T. empfindlich gestört. Die Anfänge der Registerführung werden deshalb exakt erst nach einer genauen codicologischen und inhaltlichen Analyse zu bestimmen sein, die einer eigenen Untersuchung vorbehalten bleiben muß. Auf die Anlage als Abschriftensammlung weist aber schon die Überschrift der ersten Lage des ersten Registerbandes direkt hin: „Copie collationate et conscripte‟ (HStAD Hs. A III 4 Bl. 4 a). Da die Eintragungen zunächst nicht gleichzeitig erfolgten, vielmehr die Ausstellung der kopierten Urkunde oft mehr als 10 Jahre zurückliegt, muß die Kanzlei Kopien bzw. Konzepte zur Verfügung gehabt haben. Dem Titel entsprechend werden unterschiedslos Ein- und Ausgänge kopiert. Der dann erfolgende Übergang von der Abschriftensammlung zur laufenden Registerführung ist besonders augenfällig im nächsten Band (HStAD Hs. A III 7): Bl. 61–64 sind von einer Hand in einem Zuge Ein- und Ausgänge von Lehensurkunden aus der Zeit 1350–1363 eingetragen worden; Bl. 65–75 folgen darauf ausschließlich Ausgänge in chronologischer Folge von wechselnden, offenbar gleichzeitigen Händen.

33 Ebenso wie im Kopiar (vgl. oben Anm. 19) finden sich HStAD Hs. A III 7 Überschriften zu den einzelnen Sachgruppen: littere patentes de bonis (Bl. 7), littere feodalium et viteductum (Bl. 61), littere officiorum (Bl. 77), littere theoloneorum et illorum qui habent conductum (Bl. 89). In den beiden anderen Registern Graf Johanns (HStAD Hs. A III 4 und 9) fehlen solche Titel zwar, doch ist auch dort eine adäquate sachliche Gliederung unverkennbar. Zur Kontinuität von Kopiar zu Register s.a. oben Anm. 24.

34 Für die annähernd gleichzeitige Führung der Register gibt es von ca. 1360 an vielfach Hinweise. So ist z. B. eine Lehensurkunde Graf Johanns für Goedert von Hönnepel von 1361 Juli 24 (vgl. Regsten Kleve-Mark Nr. 460) zusammen mit dem Revers Goederts von derselben Hand im Register eingetragen (HStAD Hs. A III 4 Bl. 61 b), die auch die Ausfertigung des Reverses geschrieben hat. In Hs. A III 4 Bl. 67 b–68 ist eine Schuldurkunde Graf Johanns für Engelbert von der Mark von 1362 mit dem Vermerk kanzelliert: „non est sigillata copia precedens quia non procedebatur in tractatu habito‟. Schon Ilgen (wie Anm. 3, S. 16) hat das als Beleg dafür angeführt, daß die Registrierung gleichzeitig, u. zw. nach Anfertigung der Reinschrift und vor deren Besiegelung erfolgt sein muß.

35 Im letzten Register Graf Johanns (HStAD Hs. A III 9) hat die erste Hand zunächst noch eine sachliche Ordnung angelegt: eine Lage mit Urkunden der Güterverwaltung, unter sich wieder gegliedert in Barschulden (Bl. 4–7), Eigenleute (Bl. 7, 10), Grundbesitzverschreibungen (Bl. 10–11); daneben eine zweite Lage für Lehenssachen (Bl. 18+25, der Rest ist ausgeschnitten). Von August 1367 an wird dann auf den freien Seiten der ersten Lage und neu hinzugefügten von wechselnden Händen kontinuierlich eingetragen ohne Rücksicht auf die sachliche Gruppierung, aber in eindeutig chronologischer Folge, die allenfalls einmal durch die Aufnahme von Vorurkunden unterbrochen wird.

36 Ein besonders instruktives Beispiel für diese funktionale Anlage bieten die ersten Blätter des ersten Registers Graf Johanns (HStAD Hs. A III 4). Dort ist Bl. 4 zu Anfang einer Serie von Abschriften aus dem Zeitraum 1356–1360 eine Schuldurkunde Graf Johanns für Johann von Strowich von 1356 eingetragen worden. Als 1365 eine Abrechnung des Gläubigers erfolgte und der Graf darüber einen Recess ausstellte, wurde dieser auf ursprünglich freigebliebenem Raum hinter der Schuldurkunde eingetragen, wobei der Schreiber des Recesses noch über die alte Schuldurkunde setzte: „Copie Johans van Strowich‟. Als 1365 und 1367 weitere Urkunden in derselben Sache folgten, wurden sie – u. zw. sowohl Ein- wie Ausgang –, da kein Raum mehr frei war, auf eigenen Blättern kopiert und beigefügt, so daß fast so etwas wie eine Sachakte entstand.

37 In der Regel in der Form: „Copia domini NN‟, gelegentlich aber doch auch mit Kennzeichnung der Sache, wie z. B. „van cuermudschen luden‟, „van sinen broeke gebetert‟ (HStAD Hs. A III 9 Bl. 4 b).

38 Sie werden seit der Mitte des 15. Jh. in Form von kombinierten Orts-, Personen- und Sachindices angelegt, so erstmals im Registrum causarum ducis Adolphi 1428–1441 (HStAD Hs. A III 16) und im Generalindex zu den Lehenssachen von 1456 (HStAD Kleve Lehen Gen. 43).

39 Vgl. zur Lagerung oben Anm. 19 und unten Anm. 54; zu den Rückvermerken, die seit der 2. Hälfte des 14. Jh. vorliegen, Regesten Kleve-Mark, passim.

40 Von dem nicht urkundlichen Geschäftsschriftgut des 14. Jh. ist so gut wie nichts erhalten. Immerhin zeigen die wenigen Reste, daß es solches gegeben haben muß, vgl. z. B. Ilgen (wie Anm. 8) Bd. 2, 2, S. 3: Niederschrift über Beschwerdepunkte des Grafen Johann gegen den Erzbischof von Köln 1355/57; ebda. S. 259: Niederschrift über ein Grenzweistum, Mitte 14. Jh. Vgl. dazu generell auch H. Patze, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im 14. Jh., in: Der dt. Territorialstaat im 14. Jh., hg. v. H. Patze (Vorträge und Forschungen 13) Sigmaringen 1970, S. 9–64, bes. S. 22 ff. Ein besonders interessantes Bruchstück aus der klevischen Registratur ist eine Rechnung des Rentmeisters der Gräfin Mechtild vom Hof Eyck a.d. Maas mit drei Quittungen, zusammen vier Zettel Papier unterschiedlichen Formats (wohl erst später mit einer Nadel zusammengeheftet: HStAD Kleve-Mark Akten 12, o. D., nach 1342, vor 1371). Es könnte als Indiz dafür anzusehen sein, daß man sich bereits im 14. Jh. gelegentlich um eine gewisse sachbezogenen Organisation des anfallenden Schriftgutes bemüht hat. In der Regel hat man aber wohl die Schriftstücke nur einfach lose nach Anfall zusammengelegt, wie einer der wenigen erhaltenen Faszikel „Litteralien‟ aus dem 15. Jh. belegt, in dem ohne jede erkennbare Ordnung Eingänge verschiedenster Korrespondenzpartner, Konzepte von Ausgängen, zurückgelaufene Schreiben, Kopien und Notizen zusammengefaßt sind (HStAD Kleve-Mark Akten 70).

41 Erstmals belegt 1451 Jan. 8 (HStAD Kleve-Mark Akten 1378 fol. 4 a), doch bleibt die Bezeichnung „scryvecamer‟ auch dann noch in Gebrauch, vgl. z. B. Oediger (wie Anm. 17) Teil 2 S. 65 Anm. 4 und S. 208.

42 HStAD, Hs. A III 9 Bl. 12 b: „want Henrich van Ysem unse drossate… voer ons betaelt heft LXXIIII alde schilde… van wilken vurs. gelde quitancien ontfangen sijn tot onser behoef in der scryvecameren…‟.

43 HStAD, Hs. A III 7 Bl. 71 b, Anstellungspatent Graf Johanns für Gerhard Foet von 1366 März 12: „ipsum in nostrum gratiose recepimus capellanum domesticum et clericum commensalem, ut nostrorum capellanorum et clericorum consortio favorabiliter aggregamus‟. Zum Begriff des „clericus‟ als „studierter Verwaltungsgehilfe‟ vgl. Janssen (wie Anm. 7) S. 94. Zum Bedeutungsgehalt von „consortio‟ als „Klerikergemeinschaft‟ im engeren und „Lebensgemeinschaft‟ im weiteren Sinne vgl. J.F. Niermeyer, Mediae Latinitatis lexicon minus, Leiden 1954–1976, S. 257.

44 Mit Johann († 19. 11. 1368) starb das ältere klevische Grafenhaus der sog. Flamenses aus (vgl. Janssen, in: ADB 10, Berlin 1974, S. 419 f.). Die Nachfolge trat der 2. Sohn Graf Adolfs II. von der Mark, Adolf, an (1368–1394, vgl. Dahm, in: ADB 1, Berlin 1951, S. 80 f.). Er begründete die klevische Dynastie aus dem Hause Mark, die bis 1609 regierte.

45 Über das Belehnungsverfahren und seine Verschriftlichung vgl. allgemein K.-H. Spieß, in: HRG, Bd. 2, 1978, Sp. 1701 und ders., Lehnsrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein im Spätmittelalter (Geschichtliche Landeskunde 18), Wiesbaden 1978, S. 26 f. E. Klebel, Territorialstaat und Lehen, in: Studien zum mittelalterlichen Lehenswesen, hg. von Th. Mayer (Vorträge und Forschungen 5), Sigmaringen 1960, S. 195–228, bes. S. 198. Für den nordwestdeutschen Raum: G. Theuerkauf, Land und Lehenswesen vom 14.–16. Jh. Ein Beitrag zur Verfassung des Hochstifts Münster und zum nordwestdeutschen Lehnrecht, Köln-Graz 1961, S. 62 ff. Die ältesten Lehenbücher der Grafen von der Mark, hg. von M. Westerburg-Frisch (Veröff. der Hist. Kommission Westfalens 28), Münster 1967, S. XV f.

Beispiele für die seit 1234 in Kleve belegten Lehensurkunden vgl. Regesten Kleve-Mark. Die Ausstellung einer Urkunde erfolgte zunächst wohl immer nur dann, wenn sich die Rechtsqualität eines Lehens änderte und eine der Parteien ein besonderes Interesse an einer zusätzlichen Sicherung hatte; so z. B. häufig, wenn das Lehen gleichzeitig als Offenhaus aufgetragen wurde (= Sicherungsinteresse des Lehensherrn) oder zur Beleibzuchtung der Ehefrau diente (= Sicherungsinteresse des Lehensmannes).

46 HStAD Kleve Lehen Gen. 1 Bl. 1–30, Abschrift von ca. 1440. Vgl. Ilgen (wie Anm. 3) S. 20, der das Stück aber nach der Aufschrift Bl. 1 a auf 1378 datiert. Er hat übersehen, daß die chronologische Ordnung bei der Abschrift nicht eingehalten worden ist: Bl. 6–8 und 26–30 enthalten Eintragungen von 1370–1374. Das Stück bedarf im einzelnen noch genauer Analyse. E. Dösseler und F.W. Oediger, Die Lehnregister des Herzogtums Kleve (Das Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und seine Bestände Bd. 8), Siegburg 1974, haben den Band ganz unberücksichtigt gelassen und setzen deshalb S. XVII den Beginn der Lehenregister erst auf 1432 an. Irreführend sind die Angaben bei Westerburg-Frisch (wie Anm. 45) S. XII.

Zur Verbreitung der Lehnbücher in Deutschland vgl. W. Lippert, Die dt. Lehnbücher, Leipzig 1903, S. 8 ff. und 124 ff.; dazu für unseren Raum ergänzend Theuerkauf (wie Anm. 45) S. 64 Anm. 11 und Westerburg-Frisch, a.a. O., S. XII f.

47 Zum Verhältnis Graf Adolfs zu Levold und zum Aufenthalt Adolfs in Lüttich s. N. Reimann, Die Grafen von der Mark und die geistlichen Territorien der Kölner Kirchenprovinz 1313–1368 (Monographien zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 4), Dortmund 1973, bes. S. 67 ff.; zum Lütticher Lehenregister Levolds s. Les feudataires de la principauté de Liège sous Englebert de la Marck, ed. E. Poncelet, Brüssel 1949, und Reimann, a.a. O. S. 34 f.

48 1412 beträgt das Verhältnis zwischen Aktaufzeichnung, Kopie der Belehnungsurkunde und Kopie des Reverses bereits 3:4:3 (HStAD Kleve Lehen Gen. 1 Bl. 66–69).

49 Als die Kanzlei 1448 beim Regierungsantritt Johann I. einen neuen Band anlegte, umschrieb sie im Titel den Inhalt mit „so wat brieve off schrifften bij des tijden van beleningen ind anderen saken an lene treffende gegeven ind geschiet sijn, dat volght hier na beschreven‟ (HStAD Kleve Lehen Gen. 3 Bl. 2a), und bezeichnete damit exakt, daß es nicht mehr um die Kopierung der Ein- und Ausläufe ging, sondern um die Registrierung der laufenden Geschäfte.

50 Die Regel bleibt selbstverständlich die Kopie des Ausgangs als die Normalform des Registraturbelegs über einen Geschäftsvorgang, bei der allerdings seit Ende des 14. Jh. die übliche Vollabschrift immer häufiger durch ein Regest ersetzt wird. Besonders prägnant ist dieser Rationalisierungsvorgang bei den Rechnungslegungen der Rentmeister zu beobachten: bis 1380 (HStAD Hs. A III 10) wird der Recess des Grafen stets im vollen Wortlaut kopiert; von 1386 an (HStAD Hs. A III 12 Bl. 64 b) grundsätzlich nur noch das Ergebnis der Rechnungslegung fixiert. Von der Jahrhundertwende an (HStAD Hs. A III 13, 1394–1406) nimmt dann die Zahl regelrechter Aktennotizen zu, in denen das Sachergebnis mündlicher Verhandlungen festgehalten wird, wie z. B. (HStAD Hs. A III 13 Bl. 116) „Anno domini 1394 ipso die exaltationis S. Crucis resignavit dominus Everardus Ottonis presbiter altarem suum‟; oder (Bl. 12 a): „In deser maten is Henrich van Wischel stat, hues ind ampt van Orsoy bevalen to verwaren…‟

51 So ist z. B. HStAD, Hs. A III 16 Bl. 72 ff. einer Urkunde Hg. Adolfs über die Verleihung des Erbmarschallamtes an Goswin Stecke von 1434 Jan. 22 ein Schreiben Arnts v. Brempt an den Herzog mit Erläuterungen der Pflichten des Marschalls und ein Schreiben des Erbmarschalls von Jülich mit Aufzeichnungen über die Rechte und Pflichten dieses Amtes in Jülich angefügt. Offensichtlich hat die Kanzlei hier nicht das gesamte angefallene Schriftgut aufgenommen, denn dazu hätten ja z. B. auch die Konzepte der Ausgänge gehört, vielmehr nur die Stücke, die für die künftige Verleihung des Amtes und evtl. Auseinandersetzungen mit dem Amtsinhaber wesentliche Informationen enthielten.

52 Die Anfänge der Sachaktenführung sind exakt nicht zu bestimmen. Zu Ansätzen im 14. Jh. s.o. Anm. 40. Einen direkten Beleg für die Formierung von Akten in der Kanzlei bietet erst ein Urteil des Hofgerichts von 1473 Jan. 27, in dem vermerkt ist: „To weten, dat die acta, anspraeck ind antwort deser saicken… und dat urdel vurs. darup geweest, is tosamen bijeenander gebonden ind gelacht syn to Cleve up der cantzleyen in der ordelkiste‟ (Ilgen, wie Anm. 8, Bd. 2, 1 S. 430). Ob und in welcher Form die Register mit den Akten verzahnt waren, ist unklar. Deutlich wird eine organisatorische Differenzierung erst im 16. Jh., vor allem bei der Lehensregistratur. Dort werden seit 1530 die Register als reine Auslaufregister für die Belehnungsurkunden geführt (HStAD, Kleve Lehen Gen. 5), daneben Protokolle über die vorgenommenen Belehnungsakte (HStAD, Kleve Lehen Gen. 45) und Sachakten zu den einzelnen Lehen, in denen die sonstigen Korrespondenzen erfaßt wurden (HStAD, Kleve Lehen Spezialia; vgl. Oediger, wie Anm. 1, Bd. 1 S. 216), während die Reverse in die allgemeine Urkunden-Einlaufserie eingereiht waren.

53 Genaue Zahlen über den Umfang des Schriftgutes im 15. Jh. lassen sich zwar nicht geben, doch läßt sich die Steigerung in der Tendenz in etwa abschätzen an der Zunahme der Registereinträge und der Eingänge; wenn damit auch nur ein Teil des tatsächlich angefallenen Schriftgutes erfaßt ist. 1380–1388 schrieb die Kanzlei 80 Blatt Register (HStAD Hs. A III 12 Bl. 2–79), 1440–1448 aber 300 Blatt (HStAD, Hs. A III 18 Bl. 3–240, Kleve Lehen Gen. 2 Bl. 31–70, 82–86, 96–114). An Eingängen gab es 1380–1388 96 (HStAD, Kleve-Mark Urk. 615–710), 1440–1448 aber 306 (Kleve-Mark Urk. 1604–1909).

54 HStAD, Hs. A III 1. Zum System vgl. z. B. Bl. 2 a: „In der irsten kisten geteyckent myt A is eyn scrynen myt G geteyckent bedudende Gelresche brieve…‟

55 HStAD, Kleve Lehen Gen. 2 Bl. 12–70: Lehen 1432–1448; Bl. 92–114: Praesentationen 1437–1448. Die beiden Stücke sind erst nachträglich zusammengebunden worden.

56 Diese Serienbildung ist erkennbar an den den Einbänden des 16. Jh. aufgeklebten Pergamentzetteln mit Titeln und Signaturen, die von der Schrift her ins 15. Jh. zu datieren sind (vgl. Ilgen, wie Anm. 3 S. 12). Als terminus ante quem für die Vergabe dieser Signaturen ist die Anlage des Index von 1456 (vgl. oben Anm. 38) anzusehen, der bereits mit diesen Signaturen arbeitet; als terminus post quem 1441, da der gesamten Serie ein Lehenkompendium mit Eintragungen bis zu diesem Jahre vorangestellt wurde, das die Signatur „A‟ erhielt (HStAD, Kleve Lehen Gen. 1).

57 Vgl. oben Anm. 38.

58 Die Registerführung in der Grafschaft Mark beginnt erst nach dem Tod Graf Engelberts III. (21. 12. 1391) mit der Regierungsübernahme durch Graf Adolf von Kleve: HStAD Hs. A IV 3 Bl. 107–117 = Lehenregister (vgl. dazu Westerburg-Frisch, wie Anm. 45), Bl. 120–132 = registrum causarum; sie ist also direkt aus Kleve importiert worden. Von 1393–1461 ist die Grafschaft als Sekundogenitur teils selbständig, teils von Kleve aus verwaltet worden, was zur Folge hat, daß es einerseits eigene märkische Register gibt (HStAD Hs. A IV 1–4; vgl. Oediger, wie Anm. 1, Bd. 5, S. 205 und NW Staatsarchiv Münster (zit.: StAM), Grafschaft Mark Lehen Nr. 6), andererseits märkische Belange mit in den klevischen Registern behandelt sind. Von 1461 an laufen die Serien dann parallel, wie sich aus den Altsignaturen ergibt: HStAD Kleve Lehen Gen. 3 (Altsignatur „O‟) – StAM Kleve Lehen Gen. 7 (Altsignatur „O‟) usw.; gleichzeitig werden die älteren märkischen Register mit in die Gesamtserie eingebaut: so z. B. HStAD Hs. A IV 2 Band „IX‟ usw. Die beiden Landesteile wurden also gemeinsam von Kleve aus verwaltet, von der Verwaltung aber registraturmäßig getrennt behandelt.

59 Zum Bau der Kanzlei vgl. Die Denkmäler des Rheinlandes, hg. von R. Wesenberg und A. Verbeck, Bd. 6: Kreis Kleve, Teil 4, bearb. von P. Hilger, Düsseldorf 1967, S. 14 f.; und HStAD Kleve-Mark Akten 375. Zur Aufstellung der Register „up der cancelrien‟ vgl. Ilgen (wie Anm. 8) Bd. 2, 1 Nr. 416.

60 Vgl. ähnlich J. Lehmann, Registraturgeschichtliche und quellenkundliche Aspekte älterer Kanzleiregister, dargestellt am Beispiel der brandenburgischen Register von 1411–1470, in: Archivmitteilungen 26, 1976, S. 13–18, bes. S. 15, der in der Funktion der Register als Informationsfonds für die Verwaltung „ihre gesellschaftliche Grundfunktion‟ sieht. Er betont damit zwar zu Recht das Primat des Verwaltungsinteresses, doch haben die Register in ihrer rechtlichen Beweisfunktion auch über die Verwaltung hinaus eine gesellschaftlich relevante Funktion gehabt; vgl. die folgende Anm.

61 Einen deutlichen Hinweis auf den Beweiswert der Register gibt z. B. ein Eintrag HStAD Kleve Lehen Gen. 3 Bl. 98b, nach dem Elbert van Eyll 1452 seine Lehen vom Herzog erhalten habe, „woewaell [!] Elbert nyet bybracht enheifft myt brieve ind men des oich in den registeren nyet enbevyndt [!], dat Elbert vurs mit den lene… beleent sy, as Elbert doch sacht… ind sine gnaden hebn dat bevolen aldus in das register to schriven‟. 1512 entschied der klevische Hofrat in einem Zehntstreit zwischen Kloster Marienbaum und Dietrich Tack unter Berufung auf die Register zugunsten des Klosters, vgl. Ilgen (wie Anm. 8) Bd. 2, 1 Nr. 416; d.h. die Register dienten als juristisches Beweismittel und wurden als solches offenbar auch anerkannt.

62 Zum Personalbestand des 14. Jh. s.o. Anm. 15. 1429 sind z. B. gleichzeitig belegt: Winand Belle, Johann von Beynhem, Johann von Ringenberg (HStAD, Hs. A III 1 Bl. 2 a) und Heinrich Nyenhuis (Gorissen, wie Anm. 15, Bd. 4, S. 76). Ein Verzeichnis des Hofgesindes von 1471 (HStAD, Hs. A III 23 Bl. 255 b–257 a) nennt als Personal der „cancelrie‟: Gerhard van der Schuren, Konrad, Arnold up den Kelre, Arnold van den Dam und einen Schreiberknecht. Die Angaben von Schottmüller (wie Anm. 7) S. 41 f. über die Zusammensetzung der Kanzlei im 15. Jh. sind an den von ihm zitierten Quellen nicht zu verifizieren; die von ihm genannte, von Knecht (wie Anm. 7) S. 41 wiederholte Zahl von 10 Kanzleimitgliedern ist irreführend, da Schottmüller nicht zwischen Rat und Kanzlei trennt, s. dazu auch unten Anm. 71.

63 Laie war z. B. der als Chronist bekannte Gerhard van der Schuren, der seit 1440 als öffentlicher Notar tätig war, bevor er um 1450 in den Dienst des Herzogs trat, vgl. Clevische Chronik des Gerhard van der Schuren, hg. von R. Scholten, Cleve 1884, Einleitung.

64 Vgl. die Beispiele bei F. Gorissen, Klever Führungsschichten im 14. und 15. Jh., in: Soziale und wirtschaftliche Bindungen im Mittelalter am Niederrhein, hg. von E. Ennen und K. Flink, Kleve 1981 (Klever Archiv 3), S. 115–146, bes. S. 139–141.

65 Der 1404–1431 als scriver belegte Sewellus Paep (vgl. Gorissen, wie Anm. 15, Bd. 3, S. 82, 87, 94; Bd. 4, S. 104) hatte 1386 in Wien studiert (vgl. Gorissen, wie Anm. 64, S. 140 Anm. 112); der spätere Rentmeister Henrick Dubbel 1380 in Heidelberg (vgl. Die Matrikel der Universität Heidelberg, bearb. v. G. Toepke, Bd. 1, Heidelberg 1884, S. 25 und Gorissen, wie Anm. 63, S. 141). Es bedarf dies noch eingehender prosopographischer Untersuchungen, doch zeigen die Beispiele bereits, daß das gelehrte Bürgertum nicht erst seit 1420 (Knecht, wie Anm. 7, S. 8 f.) oder gar erst seit Ende des 15. Jh. (Willoweit, in: Dt. Verwaltungsgeschichte, wie Anm. 7, S. 112) in die landesherrliche Verwaltung eingedrungen ist, sondern, wie Janssen (wie Anm. 7, S. 122) beiläufig und entsprechend pointiert bemerkt hat, „dergleichen Leute unter anderem Namen von Anfang an darin gewesen‟ sind.

66 Eine gewisse Differenzierung ergibt sich aus den unterschiedlichen Versorgungsleistungen für einzelne Kanzleimitglieder; so hat z. B. nach dem Anm. 62 genannten Verzeichnis von 1471 Gerhard v.d. Schuren Anspruch auf Verköstigung für sich und einen Knecht, die übrigen Kanzleimitglieder nur für sich selbst. Auf die Arbeitsteilung weist ein Vermerk des Sekretärs Heinrich Coeppen (HStAD, Kleve Lehen Gen. 3 Bl. 1 a), nach dem er 1449 bei zwei Belehnungen anwesend war „ind die doe teykenden ind die teykenynge Johann van den Damme avergaff to registriren‟. Eine Trennung in Sekretäre und Kopisten, wie sie Schottmüller (wie Anm. 7) S. 42 und Knecht (wie Anm. 7) S. 45 (ohne Kenntnis dieser Stelle) vermuten, darf man aber daraus wohl nicht ableiten. Dagegen spricht, daß noch die Geschäftsordnung von 1486 (s.u. Anm. 73) für alle mit der schriftlichen Erledigung der Geschäfte Beschäftigten nur die Bezeichnung „scriver‟ kennt. Dem entspricht, daß z. B. der Secretarius Albert van den Dam 1444 die Ausfertigung eines Vidimus schreibt (HStAD, Kleve Lehen Spezialia 41 a Urk. 1 a) und gleichzeitig im Lehenregister (HStAD, Kleve Lehen Gen. 1 Bl. 1 ff.) wie im Registrum causarum (HStAD, Hs. A III 18, Bl. 84 b, 90 b usw.) nachweisbar ist. Der Sekretär Dietrich Nederhave schreibt 1441 die Privatkorrespondenz des Herzogs (HStAD, Kleve-Mark Akten 70 Bl. 5), gleichzeitig aber auch im Registrum causarum (HStAD, Hs. A III 18, Bl. 43 ff.). Zur Vorbereitung der Ratsgeschäfte durch die Sekretäre vgl. z. B. einen Eintrag HStAD, Kleve Lehen Gen. 2 Bl. 31 a, nach dem der Herzog 1439 dem Godert van den Dairn eine Frist zum Nachweis seines Lehens gesetzt und die Kanzlei angewiesen hatte „men sal darenbynnen synre gnaiden registeren daraff oich besien ind dair inne doin ast geboirt‟. Als Zeuge bei einer Belehnung fungierte z. B. der secretarius Hermann Swager 1447 (HStAD, Kleve Lehen Gen. 2 Bl. 91 b). Für die Verwendung der Sekretäre als ‚Gesandte‛ des Herzogs bieten die Weseler Stadtrechnungen zahlreiche Beispiele, vgl. Gorissen, wie Anm. 15, Index.

67 Vgl. Gorissen, wie Anm. 64, S. 140, dessen globale Behauptung, die Landrentmeister seien „bis zur Errichtung eines besonderen Kanzleramtes die Chefs der Landesverwaltung‟ gewesen, aber noch der inhaltlichen wie zeitlichen Präzisierung bedarf. Ob der Rentmeister tatsächlich die Kanzlei geleitet hat, wieweit seine Kompetenzen reichten, wie seine Stellung im Rat war, ist noch nicht hinreichend geklärt. Die Frage muß vor allem auch zeitlich differenziert werden, da der Rentmeister ein „westlicher Import des 14. Jh.‟ ist (vgl. Janssen, wie Anm. 7, S. 97 f.), der erst im Laufe der 1. Hälfte des 14. Jh. an Bedeutung gewinnt und, wie es scheint, den Kaplan als Spitzenmann der Verwaltung im Rat (vgl. oben Anm. 16: Riquin von Borth!) ablöst. Zum Rentmeisteramt in Kleve vgl. auch Knecht, wie Anm. 7, S. 48 ff. Das Amt eines Sekretärs des Rentmeisters, wie dort S. 52 f. behauptet wird, hat es allerdings wohl nicht gegeben, vielmehr bediente sich der Rentmeister eines der in der Kanzlei tätigen Schreiber. So ist etwa der von Knecht angeführte Albert van den Dam in verschiedensten Geschäften nachweisbar, vgl. Anm. 66.

68 Zum Rat s. die oben Anm. 16 gen. Literatur.

69 Zitiert bei Classen, wie Anm. 15, S. 364. Zur Position des Henrik Nyenhuis als Stellvertreter des Herzogs und damit als Chef der Zentralverwaltung vgl. z. B. den Vermerk HStAD, Kleve Lehen Gen. 3 Bl. 81 b, daß Bernd Velen 1450 sein Lehen von Nyenhuis erhalten habe „na den bevele, as hie to Cleve vernam, dat die praist vurs. in affwesen myns hern had‟. Nyenhuis ist 1427–1431 als scriver des Herzogs belegt (vgl. Gorissen, wie Anm. 15, Bd. 4, S. 57, 76, 80, 104), 1432–1448 als Rentmeister (HStAD Hs. A III 16, fol. 60; Kleve Lehen Gen. 2, Bl. 23 a; Hs. A III 21, Bl. 36 b), seit 1442 als Propst von Kleve und Rat (HStAD Kleve Lehen Gen. 2 Bl. 101 b). Vgl. zu ihm auch Gorissen, wie Anm. 64, S. 141.

70 Nyenhuis hat das Amt des Landrentmeisters 1448 abgegeben und erscheint bis zu seinem Tod 1455 nur noch in seiner Funktion als Verwaltungschef (vgl. Anm. 69) unter dem Titel „die praist‟. Organisatorisch wurde das Amt des Kanzlers = Chefs der Verwaltung also in Kleve 1448 geschaffen, faktisch aber wohl schon einige Jahre früher. Vgl. auch Gorissen, wie Anm. 64, S. 141 Anm. 112.

71 Zur Einrichtung der Propstei vgl. Classen, wie Anm. 15, S. 351 f. Die Behauptung von Schottmüller, wie Anm. 7, S. 41 f. und Knecht, wie Anm. 7, S. 41 ff., der jeweilige Propst von Kleve sei „Kanzleivorstand‟ gewesen, ist zu ungenau. Das Anm. 62 genannte Verzeichnis von 1471 führt Propst und Rentmeister unter der Rubrik „die raide‟ auf und davon getrennt die „cancelrie‟. Auch in anderen Verzeichnissen (HStAD Hs. A III 21 Bl. 71 b; Kleve-Mark Akten 4102, 4104) wird der Propst stets unter den Räten geführt, nie, wie Schottmüller behauptet, an der Spitze der Kanzlei. Der Propst war, wie die Karriere des Nyenhuis (vgl. Anm. 69) zeigt, der aus den Reihen der Schreiber aufgestiegene Verwaltungsfachmann im Rat und wird als solcher Vertreter des Herzogs; daraus resultiert selbstverständlich dann auch die Leitung der Kanzlei, aber doch in einem ganz anderen Sinne! Der Propst nimmt von Anfang an die Stellung ein, die die Kanzleiordnung des 16. Jh. dem Kanzler zuschreibt, nämlich Chef der gesamten Verwaltung zu sein (vgl. G. v. Below, Quellen zur Geschichte der Behördenorganisation in Jülich-Berg im 16. Jh., in: ZBergGV 30, 1894, S. 63 ff.), nur daß diese Position um 1450 noch die Ausnahme ist, eine Sonderregelung bei Abwesenheit des Herzogs.

72 Der Titel „ducalis cancellarius‟ ist erstmals 1484 für den Nachfolger des H. Nyenhuis als Propst von Kleve, Hermann von Brakel, belegt, vgl. Die Schriften des Arnold Heymerick hg. von F.W. Oediger, Bonn 1939 (Publ. d. Ges. f. rhein. Gesch.-kde. 49), S. 143.

73 In der „Ordinantie van einem staite mins gnedigen heren avermits s. gn. vrienden van raide verraempt‟, ediert bei Schottmüller, wie Anm. 7, S. 84–88; dazu die Verbesserungen bei Ilgen, wie Anm. 8, Bd. 2, 2 S. 86 f. Zum Entstehungshintergrund vgl. Schottmüller S. 7 ff. und korrigierend Knecht, wie Anm. 7, S. 138 f.

74 Ordinantie, a.a. O., Kap. 3, 4, 10.

75 Ordinantie, a.a. O., Kap. 3.

76 Ordinantie, a.a. O., Kap. 10, 16.

77 Ordinantie, a.a. O., Kap. 14.