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[p. 325] Die Kanzleien der Arpaden-Dukate

Das ursprüngliche Thema dieses Kongresses: „Die landesfürstlichen Kanzleien des Spätmittelalters‟ wirft ein terminologisches Problem auf. Was verstehen wir unter Landesfürstentum, bzw. principauté, das im Latein des 10.–13. Jahrhunderts im allgemeinen mit dem Ausdruck ducatus bezeichnet wird?1

Für das ungarische Königtum ist dieser Ausdruck ziemlich klar umgrenzbar: Der Dukat war ein Territorium, dessen Herr im allgemeinen ein nicht regierendes Mitglied der königlichen Familie, in erster Linie der Thronfolger, bzw. ein jüngerer Herzog, ausnahmsweise ein eingeheirateter fremder Prinz oder die Königin-Mutter war; sie genossen die Einkünfte des Dukats als Apanage. Der Dukat war prinzipiell kein souveränes Land, sondern gehörte zur königlichen Krone2. Nach unten kann man den Dukat gegen jene Territorien abgrenzen, zu deren Verwaltung der König je einen Würdenträger (den Palatin, Hofrichter, Truchsess, Banus, Woiwoden, usw.) oder einen Gespan (comes) ernannte. Diese genossen ein Drittel der Einkünfte eines Komitats, Banats oder der Woiwodschaft, nicht infolge des dynastischen Rechtes und auf eine längere Zeit, sondern aufgrund der Ernennung und nur einige Jahre lang. Als ein charakteristisches Beispiel für die territoriale Verwaltung des 13. Jahrhunderts kann Jula de genere Kean, ein Gutsherr der Draugegend angeführt werden, der während seiner 35 jährigen Laufbahn 21 verschiedene Würden bekleidet hatte: zweimal war er Palatin, zweimal Woiwode Siebenbürgens, dreimal slawonischer Banus, einmal königlicher Hofrichter, zweimal Hofrichter und einmal Obersttürhüter der Königin, und nebst diesen Würden bekleidete er gleichzeitig auch die Gespanschaft eines Komitats: abwechselnd [p. 326] sieben Gespanschaften während seiner Laufbahn3. Obwohl man das Apanage-Herzogtum von dem souveränen Königtum und von der Lokalverwaltung prinzipiell klar unterscheiden kann, kam es dennoch zu Überschneidungen. An der Spitze je eines Komitats, bzw. Banats stand zwar immer ein Comes bzw. Banus, trotzdem konnten die Herzöge die Einkünfte, das königliche Zweidrittel und die Regierung eines oder mehrerer Komitate bzw. Banate erhalten, was keineswegs die Aufhebung des entsprechenden Landesamtes, Komitats oder Banats bedeutete.

An dieser Stelle behandeln wir weder die Urkundengebung der vom König ernannten, administrativen Landesverwalter, noch diejenige der Bischöfe. In Ungarn hatten nämlich die geistlichen Fürsten keine zusammenhängenden Territorien. (Nur zwei Ritterorden verfügten eine Zeit lang im 13. Jahrhundert über Territorien: der deutsche Ritterorden im Burzenland und in einem Teil des benachbarten Kumaniens und der Templerorden im Komitat Dubica; die Urkundengebung ihrer Meister ist aber nicht bekannt.)

Was die Apanage-Herzogtümer der Arpaden anbelangt, können sie der Herkunft und der territorialen Lage nach in drei Typen eingeteilt werden: 1. Stammesherzogtum. 2. Erobertes und der ungarischen Krone untergeordnetes, annektiertes Land. 3. Durch eine zeitweilige Landesteilung (divisio regni) entstandener Dukat, wodurch der König dem Thronfolger Herrscherrechte zukommen ließ.

Die landnehmenden Ungarn bestanden aus sieben ungarischen Stämmen und aus drei gegen die Khasaren revoltierenden und den Ungarn angeschlossenen nomadischen Stämmen, den sogenannten Kowaren. 893 stand Arpads ältester Sohn an der Spitze der drei kowarischen Stämme, und nach Konstantinos Porphyrogennetos existierte dieses System auch noch um 9504. Der ungarischen Überlieferung gemäß, welche der als „Anonymus‟ bezeichnete Verfasser der Gesta Hungarorum um 1200 aufgezeichnet hat, stand Arpads Thronfolger, Zolta, an der Spitze des von Khasaren und Seklern bewohnten Dukats von Bihar, und der Dukat von Neutra wurde von den Söhnen des Onkels von Arpad, namens Hülek (Hulec), erobert. Im Laufe des 10. und 11. Jahrhunderts erhielten die Herzöge gewöhnlich die Herrschaft der Dukate von Bihar und Neutra, weiterhin eines an der unteren Donau gelegenen Dukates, [p. 327] obwohl die ethnische Absonderung der Bevölkerung am Ende des 11. Jahrhunderts schon aufgehört hatte: Bruno von Querfurt und Ademar von Chabannes unterschieden noch die weißen Ungarn von den mit den Kowaren identifizierbaren schwarzen Ungarn und ihrem Gebiet. Die Verfügung des Königs Andreas I., als er seinem Bruder Dux Bela um 1050 den ein Drittel des Landes bildenden Dukat mit 15 Komitaten und mit dem Recht der selbständigen Münzprägung übergab, hatte schon keinen ethnischen Grund. (Dies wird später in den Chronica Hungarorum als eine divisio regni erwähnt.) Nach dem Tod von Andreas besaßen seine Söhne und Enkel die Dukate von Bihar und Neutra getrennt, bis König Koloman der Bücherfreund um 1110 diese innere Streitigkeiten verursachende Institution einstellte5.

Die Herzöge des 11. Jahrhunderts verfügten über Notare, aber ihre Urkunden sind in authentischer Form nicht erhalten. Dux Bela ließ 1060 eine Urkunde ausstellen, als sein Bruder, König Andreas, schon gestorben und sein Sohn, der gekrönte Salomon, nach Deutschland geflüchtet war. Dieser Donationsbrief für die Abtei von Tihany ist nur in Form eines Palimpsestes erhalten geblieben. Seinen nur dem Inhalt nach bekannten Text hat man am Anfang des 14. Jahrhunderts abgeschabt und den Text der interpolierten Stiftungsurkunde der Abtei darüber geschrieben, das Siegel aber ließ man unversehrt. Die übriggebliebenen Bruchstücke des Siegels zeigen der Form nach ein Thronsiegel, das auf die souveräne Herrschaft eines die Hoheitsrechte ausübenden Fürsten hinweist6. Aus dem 11. Jahrhundert sind zwei Urkundentexte mit herzoglichen Verfügungen bekannt; der eine, die um 1090 ausgestellte Originalurkunde des Dux David für dieselbe Tihanyer Abtei ist eine Empfängerausfertigung, die von König Ladislaus besiegelt wurde7, wogegen der andere Urkundentext die Verfügung des Colomannus episcopus princeps nur in einem vielfach transkribierten fehler- und lückenhaften Texte auf uns blieb. Dux David schenkte von der zerstreuten Gutsorganisation des Dukates Dienstleute und Güter, wohingegen Koloman, noch als Biharer bzw. Wardeiner Bischof, auf dem Territorium des Dukats Exemptionen ausstellte8. Da [p. 328] beide Texte in objektiver Form verfaßte breves notitiae sind, die keine Hinweise auf den Schreiber enthalten, können wir aus ihnen auf die Urkundengebung des Dukates im 11. Jahrhundert keine Folgerungen ziehen.

Die neuere Form des Dukates entstand um 1110 dadurch, daß König Ladislaus I. 1091 einen großen Teil des am Meer liegenden Alt-Kroatien einnahm, das er in seinem 1091 verfaßten Briefe Sclavonia nannte. Hier setzte Ladislaus seinen Vetter Álmos als König ein, nach seinem Tode aber folgte ihm nicht Álmos auf dem Throne von Ungarn, sondern dessen älterer Bruder, Koloman. Koloman ließ den gegen ihn mehrmals rebellierenden Álmos blenden, den aus dem Stammesherzogtum entstandenen Dukat aufheben und setzte seinen eigenen Sohn, Stephan II. als König von Kroatien und des im Jahre 1105 dazu eroberten Dalmatien ein. Von da an haben die Arpaden das am Meer liegende Alt-Kroatien und Dalmatien, falls sie nicht unter byzantinischer oder venezianischer Herrschaft standen, als Apanage dem Thronfolger-Herzog zugeordnet9. Wenn es keinen Thronfolger reifen Alters gab, stand dieses Gebiet unter der Leitung eines ernannten Banus; die Banus-Würde wurde nach 1142 vom Schwager des Königs Bela II., dem serbischen Belos bekleidet10. Dalmatien und Kroatien wurden als herzogliche Rechte betrachtet, dafür ist charakteristisch, daß, als Herzog Bela III., Verlobter der Tochter des Kaisers Manuel Komnenos, als Thronfolger nach Byzanz kam, Dalmatien und Kroatien als seine Mitgift unter byzantinische Herrschaft gerieten11. Nach dem Tod Manuels aber eroberte sie Bela III., schon als König Ungarns von Byzanz zurück, ließ sie anfangs durch einen Banus, später durch den zum Gubernator ernannten Kalan, Bischof von Fünfkirchen, mit den Gebieten südlich der Drau zusammen regieren12, bis Prinz Emmerich heranwuchs und die Herrschaft über Dalmatien und Kroatien übernahm.

Nach der Eroberung Galiziens (1188) setzte zwar Bela III. seinen jüngeren Sohn, Andreas in dieses Gebiet ein, dieser aber wurde nach zwei Jahren verjagt13. Nachdem Emmerich 1196 den Thron Ungarns bestieg, wurde sein jüngerer Bruder Andreas mit dem Titel Dalmatie, Chroatie, Rame, Chulmeque dux14 Herr der Meeresküste; aus seinen Urkunden geht aber klar hervor, daß auch das Gebiet des Agramer Bistums dazu gehörte.

[p. 329] Wir kennen 10 Urkunden des Herzogs Andreas15, ihre Kritik aber wird dadurch erschwert, daß nur fünf Originale übriggeblieben sind; von diesen können zwei aufgrund der Schrift und des Inhaltes als gefälscht betrachtet werden, obwohl sie nach glaubwürdigen Original-Urkunden verfaßt wurden16. Die zwei bekannten Notare bzw. Kanzler des Herzogs (1198: Petrus filius Misca, 1200: Jacobus) waren Pröpste eines nicht näher bezeichneten Stiftes. Letzterer, aus seinem Attribut magister … ducis bzw. magister noster folgend, könnte der Erzieher des jungen Herzogs gewesen sein17. Die zwei frühesten Urkunden aus dem Jahr 1198 repräsentieren das dalmatinische, letzten Endes venezianische Urkundenwesen: nach der Invocatio folgt sofort das Datum mit dem Incarnationsjahr und Indiction, danach folgt die Intitulatio; in der frühesten Urkunde werden die regierten Länder, an der Spitze mit Zara, Residenz des einstigen byzantinischen Statthalters, aufgezählt (Ego tercii Bele regis filius dei gratia Jadere, totius Dalmacie et Chroacie Chulmeque dux), in den späteren taucht zweimal auch Rama (in Serbien) auf18, meistens kommen aber nur Dalmatien, Kroatien und Hulm (auf dem Gebiet der neuzeitlichen Hercegovina) in der Reihe der zum Dukat gehörigen Länder vor.

Die Mehrheit der Urkunden folgt der Praxis der königlichen Kanzlei: nach der Intitulatio die Arenga, Promulgatio und Dispositio; auf die Sanctio folgt die auf die Besiegelung hinweisende Corroboratio, danach die Namensliste der anwesenden Zeugen mit dem Namen des Banus. Name und Titel des Kanzlers wird mit dem Ausdruck Datum per manus eingeführt; die nach ungarischer Praxis ausgestellte Urkunde wurde mit dem Incarnationsjahr beendet.

Der Dux Andreas gebrauchte zur Besiegelung ein Reitersiegel; ein Bruchstück dessen kann man auf einer verdächtigen Urkunde nachträglich angehängt [p. 330] erkennen. Das Siegel wurde in Spalato im 17. Jahrhundert mit folgenden Wörtern beschrieben: cum sigillo cereo magno pendenti cum cordula sericea rubri et crocei coloris, in cuius medio est effigies viri equo insidentis, dextera gladium vibrantis19.

Im Zeitalter des Königs Andreas II. wiederholte sich dieselbe Bekleidung der Herzogtümer, wie in der Zeit von Bela III. Der ältere Sohn, der in seiner Kindheit gekrönte Bela IV. führte auch selber den Titel rex, filius regis oder primogenitus regis Hungarie, usw., von 1220 bis 1226 aber regierte er als dux totius Sclavonie die von der Drau bis zum Adriatischen Meer sich erstreckenden Länder. Seine nach der Praxis der königlichen Kanzlei ausgestellten Urkunden wurden folgenderweise datiert: Datum per manus Mathie prepositi Zagrabiensis aule nostre cancellarii, meistens mit Aufzählung der Würdenträger und Gespane seines eigenen Hofes, woraus klar wird, daß der Wirkungskreis des Herzogs Bela auch auf die nördlich der Drau liegenden ungarischen Komitate sich erstreckte20. Sein jüngerer Bruder, Koloman nahm mit der wiederholten Eroberung Galiziens den Titel rex Ruthenorum an, nach seiner Verjagung im Jahre 1226 aber trat er unter Beibehaltung des besagten Titels das Erbe seines Bruders als dux Dalmatie et Chroatie, mit anderen Worten als dux totius Sclavonie an, Herzog Bela jedoch erhielt den für das ganze Land gültigen Wirkungskreis. Von den Urkunden Kolomans sind 17 dem Text nach bekannt, fünf von ihnen im Original21. Sie widerspiegeln die Entwicklung der königlichen Kanzlei am Anfang des 13. Jahrhunderts: nach der Intitulatio kommt die Adresse mit folgenden Wörtern: Omnibus ad quos presens scriptum pervenit oder Universis tam presentibus quam futuris oder Omnibus Christi fidelibus, danach die Salutatio, die Promulgatio und Dispositio; im Eschatokoll steht die auf das Siegel hinweisende Corroboratio, weiter in demselben Satz mit den Worten consilio et consensu eingeflochten die Namen der Würdenträger. Abgesehen von der ersten Urkunde, die Datum Spaleti in archiepiscopali palatio … per manus [p. 331] Barnabe aule regis vicecancellarii ausgestellt wurde, sind sämtliche Urkunden mit Datum per manus aule nostre cancellarii signiert; dieses Amt bekleidete anfänglich der Erlauer Bischof Paschasius, später der Agramer Propst File.

Nach den Verwüstungen des Tartarenzuges im Jahre 1241 nahm König Bela IV. gewisse Modifikationen bei der Einrichtung der Dukate vor. Herzog Koloman war gestorben, die Kinder des Königs waren zu jung, deshalb hatte der König den slawonischen Dukat nicht besetzt, er ernannte nur einen Banus zum Dux22. Da der pannonische Teil des Landes unter den Verwüstungen weniger litt, wählte er zu Stützpunkten der königlichen Macht die befestigten Städte Ofen und Agram. Den östlich der Donau liegenden, verödeten Teil des Landes besiedelte er mit Kumanen, seinen Sohn, den iunior rex Stephan V. verheiratete er mit der Tochter des kumanischen Khans, und damit gab er ihm auch das zwischen Kumanien und den auf der Ungarischen Tiefebene angesiedelten Kumanen liegende Siebenbürgen, mit dem Titel dux Transilvanus et dominus Cumanorum. Stephan V. baute als iunior rex nicht eine herzogliche, sondern eine königliche Kanzlei aus, mit dem Erzbischof von Kalocsa als Kanzler und mit dem Propste eines königlichen Stiftes als Vizekanzler. Daher werden die 175 Urkunden des iunior rex von der ungarischen Diplomatik zu den königlichen Urkunden gezählt. Mit Recht, da Stephan V. seinen Landesteil durch eine divisio regni, mit Hochheitsrechten besaß23.

Der jüngere Sohn von Bela IV., der Herzog Bela erhielt erst in den 1260er Jahren den ganzen slawonischen Dukat; in seinen zwischen 1260 und 1269 ausgestellten 15 Urkunden führte er den Titel Bela dei gratia dux totius Sclavonie, Dalmatie et Croatie24; sein Kanzler war Ladislaus, der Bischof von Tinnin bzw. Knin. Seine Urkunden, welche nach dem Vorbild der königlichen Urkunden, am Ende mit Angabe der Regierungsjahre ducatus nostri anno verfertigt wurden, hatte er je mit einem Doppelsiegel beglaubigt25.

Man muß noch bemerken, daß während der Herrschaft von Bela IV. mehrere in das Arpaden-Haus eingeheiratete fremde Herzöge als Apanage Dukate erhielten. So bekam Kalo-Johannes, der Sohn des byzantinischen Kaisers Isaak Angelos das in der Save-Gegend liegende Sirmien mit einem Komitat (1235–1254), da seine Mutter die Tochter von Bela III. war26. Nach seinem [p. 332] Tod, im Jahre 1254, gab Bela IV. das mit Süd-Sirmien identische Banat Machov (Mačva) seinem Schwiegersohn Rostislaw, dem nach Ungarn geflüchteten Sohn des russischen Fürsten von Tschernigow, Michael, der noch im selben Jahre Bosnien und in dem darauffolgenden Jahre, als die bulgarische Asenidendynastie ausstarb, den nordwestlichen Teil Bulgariens dazu eroberte. Um Galizien zu erobern, führte er zwei erfolglose Feldzüge27, und obwohl allein der um Macsó und Bosnien liegende Dukat dauerhaft unter seiner Herrschaft stand, gebrauchte er in seiner einzigen, sine anno ausgegebenen Urkunde den Titel Nos Razlaus, dux Galacie et imperator Bulgarorum. Die mit ungewöhnlichen Formeln verfaßte lateinische Urkunde, ohne Namen des Notars, endet mit den Wörtern: litteras nostras sub sigillo nostro roboratas, von seinem Siegel ist leider nur die rote Seidenschnur erhalten geblieben28. Nach seinem 1263 erfolgten Tode erbte sein Sohn, Herzog Bela, seine Provinzen in der Save-Gegend, mit dem bescheideneren Titel dux de Machov et de Bozna. Als Stephan V. starb und nur zwei minderjährige Söhne hinterließ, ergriff die Macht seine Witwe, die Tochter des kumanischen Khans. Diese energische und stolze Frau, die auf ihr Siegel den Titel regina Ungarie et filia imperatoris Cumanorum eingravieren ließ, ließ ihren älteren, damals 10jährigen Sohn krönen, von einem ihrer Anhänger den vermutlich sich um den Thron bewerbenden Herzog Bela von Machov töten und in dem Dukat mehrere Banus ernennen29. Die Königin genoß auch selber die den Königinnen zukommenden Komitate Segesd, Verőce (Virovitica) und Posega in der Drau- und Save-Gegend, sowie die Zips30. Als ihr jüngerer Sohn 8 Jahre alt war, setzte sie ihn in dem slawonischen Dukat ein. Die einzige, aus dem Jahr 1278 stammende Urkunde von Andreas, mit der Intitulatio Andreas dei gratia dux totius Sclavonie, Dalmatie et Chroatie ist nur in einem Transsumpt übriggeblieben31, welches wegen der im Text vorkommenden, auffallend großen Immunität und der ungewöhnlichen Struktur, – Anathema anstatt Corroboratio mit Siegel, Fehlen des datum per manus – wahrscheinlich eine Fälschung ist. Herzog Andreas ist in demselben Jahr gestorben. Die Königin nahm nicht nur Machov und Bosnien – als ducissa de Machou et de Bozna –, sondern auch Slawonien in ihren Besitz32. Ihren Platz mußte sie aber nach einigen Jahren ihrer Tochter und deren Gatten, dem vom Throne Serbiens verjagten König Stephan Dragutin [p. 333] übergeben, da nämlich König Ladislaus IV. den Dukat von Machov und Bosnien seinem Schwager geschenkt hatte33.

Als Ladislaus IV. 1290 getötet wurde, hatte er keinen Nachfolger. Die letzten Abkömmlinge der Arpaden waren Stephan Posthumus, der durch seine Mutter, Beatrix von Este nach Italien gelangte, und die Venezianerin Tomassina Morosini heiratete. Der in Italien lebende Stephan nahm den den ungarischen Thronfolgern zukommenden Titel dux Sclavonie an und vererbte alle seine Rechte an seinen Sohn Andreas III., wie dies sein 1271 in Venedig von einem öffentlichen Notar verfaßtes Testament bezeugt34.

Andreas III. wurde 1290 durch die Großen Ungarns ins Land zurückgerufen. Er hatte keinen Sohn, und da er danach trachtete, die Einheit des Landes zu bewahren, ließ er in den ersten fünf Jahren seiner Regierung wegen des Aufstands der den Thronanspruch der neapolitanischen Anjou anerkennenden örtlichen Feudalherrn den Dukat nicht besetzen. 1295–96 stellte er seine Mutter, die venezianische Thomassina Morosini zur ducissa totius Sclavonie et maritimarum partium principissa, sogar zur gubernatrix Citra-Danubialium partium35, und danach, von 1297 bis 1300 besetzte er die Würde des dux totius Sclavonie et comes de Possega mit seinem Onkel Albertino Morosini36.

Nach dem Aussterben des Arpadenhauses im Jahre 1301, inmitten der Streitigkeiten der Anjou-Könige mit den Feudalherrn war es nicht wünschenswert, die Einrichtung der Apanage-Herzogtümer wiederzubeleben.

Obiges zusammenfassend ist zu sagen: in dem 12. u. 13. Jahrhundert betrachteten die Arpaden Dalmatien und Kroatien, später das angeschlossene Slawonien bzw. Süd-Pannonien als den Dukat des Thronfolgers, welchen, wenn es keinen Thronfolger gab, auch ein anderes Mitglied der königlichen Familie als Apanage erhalten konnte. Neben diesen bildeten Bosnien und das mit ihm benachbarte Süd-Sirmien, das heißt Machov (Mačva) den Kern eines anderen Dukates, den zumeist in das Arpaden-Haus eingeheiratete fremde – byzantinische, russische, serbische – Prinzen oder die Königin-Mutter erhielten. In der Reihe der zeitweiligen Eroberungen tauchen auch Galizien und die Steiermark als Dukate auf. Siebenbürgen mit Ost-Ungarn kommt nur in einem einzigen Falle als Dukat vor, nämlich unter der Herrschaft des iunior rex Stephan V. Da er über eine königliche Hofhaltung und eine königliche Kanzlei verfügte, haben wir seine Urkunden in den Kreis unserer Untersuchungen [p. 334] nicht aufgenommen. Was die drei letzteren Dukate anbelangt, so sind die Urkunden der in Galizien regierenden Herzöge nicht erhalten; die regelmäßige Urkundengebung des Dukates von Machov-Bosnien ist auch nur von der Zeit bekannt, in der die Königin-Mutter dieses Gebiet besaß. Ein vollständiges Bild können wir allein von der Urkundengebung der Kanzlei des slawonischen Herzogs entwerfen. Abgesehen von den ersten, nach dalmatischem Protokoll ausgestellten Urkunden, richtete sich die Urkundengebung nach der königlichen Kanzlei, was auch damit erklärt wird, daß die Kanzler im allgemeinen aus solchen Kirchen kamen, welche königliche Kaplane regierten.

Die überwiegende Mehrheit der erhaltenen Urkunden sind mit hängendem Siegel beglaubigte litterae privilegiales. Mandate sind nur in Ausnahmefällen erhalten.

Die Invocatio ist nur bis 1231 gebräuchlich. Das Hauptelement der Intitulatio schloß sich anfänglich dem dei gratie Dalmatie, Croatie, Rame, Chulmeque dux an, später kam zu Dalmatien und Kroatien Sclavonia hinzu, oder diese drei wurden einfach durch totius Sclavonie ersetzt und mit der Formel in perpetuum beendet. Die Arenga ist nur in den früheren Jahrzehnten gebräuchlich, von 1226 an beginnt die Urkunde im allgemeinen mit der Adresse und der Salutatio; die mit einer Promulgatio eingeführte Narratio ist selten.

Aus den früheren Zeiten sind nur Verfügungen zum Wohle der Kirchen erhalten, dies macht 40 % der Urkunden aus. 1229 fangen die Gutsdonationen für Private, 1231 die Immunitätsbriefe für die Hospites an. Das Wirkungsgebiet der Verfügungen ist vor allem das mittelalterliche Slawonien, das heutige Kroatien, in selteneren Fällen Dalmatien und die ungarländischen Komitate, wo die Herzöge mehrere Höfe und zu ihnen gehörende, mit der Distinktion ducatus bezeichnete, zerstreute Güter besaßen.

Bis 1240 folgt nach der Formel der Corroboratio die Aufzählung der Zeugen, oder der ihren „consensus‟ kundgebenden Banus und Gespane, nach 1240 bleibt dies weg. Die Urkunde endet nach den Worten Datum per manus mit dem Namen des Kanzlers und dem Jahre der Inkarnation; Ausstellungsort, Tagesdatum und ducatus anni werden manchmal angegeben. An die Privilegien wurde das Reitersiegel des Herzogs angehängt.

Im allgemeinen kann man feststellen, daß die herzoglichen Urkunden auf die Weise der königlichen Urkunden ausgestellt wurden. Es bleibt noch hinzuzufügen, daß die durch die Banus Slawoniens ausgegebenen Urkunden sich immer mehr den herzoglichen Urkunden angenähert haben. Diese Tendenz wurde dadurch bestärkt, daß der Dukat, wenn es keinen Arpaden-Thronfolger gab, temporär auch von einem Magnat regiert werden konnte, der ausnahmsweise den Titel dux führte, so z. B. von 1241 bis 1245 Dionysius dei gratia [p. 335] dux et banus totius Sclavonie. Dies ist aber eine Ausnahme, und die Urkunden der zur administrativen Verwaltung ernannten Banus, Gespane, usw. haben eine einfachere Struktur, zur gleichen Zeit enthalten sie ausführlichere rechtliche Verfügungen. Deren Auslegung mag zum Themenkreis eines anderen Kongresses gehören.


1 Vgl. die begriffsgeschichtlichen Untersuchungen: Les principautés au Moyen-âge. Bordeaux 1976. (Actes des congrès de la Société des Historiens Médiévistes de l’enseignement supérieur public.); Goetz H.-W.: „Dux‟ und „Ducatus‟. Bochum 1981.

2 Györffy Gy.: A dukátus. Századok 92 (1958) 47; was die Anfänge und das Wesen des ungarischen „Ducatus‟ anbelangt, schreibt darüber vollkommen verfehlt Kristó Gy.: A XI. századi hercegség története Magyarországon. Budapest 1974.

3 Wertner M.: Die Wojwoden Siebenbürgens im Zeitalter der Arpaden. Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. 28 (1898), 41 ff.; Karácsonyi J.: A magyar nemzetségek a XIV. század közepéig. Budapest 1901. II. 282; vgl. noch die Angaben bei Szentpétery E.: Regesta regum stirpis Arpadianae critico-diplomatica. Budapest 1923. (kurz: Szentpétery: Regesta.) I. 527.

4 Vgl. Marquart J.: Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. Leipzig 1903. 52–53, 522.

5 Siehe Anm. 2. Vgl. noch Györffy Gy.: Formation d’États au IXe siècle suivant les „Gesta Hungarorum‟ du Notaire Anonyme. Nouvelles Études Historiques. Budapest 1965. 40–41. 47 ff.; Göckenjan H.: Hilfsvölker und Grenzwächter im mittelalterlichen Ungarn. Wiesbaden 1972. 44; Györffy Gy.: A kabar kérdés. Forrás 25 (1983) 20–28.

6 Györffy Gy.: Ein ungarischer Palimpsest aus dem 11. Jh. Byzantinische Forschungen 1 (1966) 150–157.

7 Szentpétery: Regesta nr. 23.

8 Von Szentpétery: Regesta nr. 47 wurde sie für eine Fälschung gehalten, dagegen siehe Györffy Gy., Századok 92 (1958) 52.

9 Györffy Gy.: Die Nordwestgrenze des byzantinischen Reiches im XI. Jh. und die Ausbildung des „ducatus Sclavoniae‟. Mélanges de Vajay. Braga 1971. 295–313.

10 Smičiklas I.: Codex diplomaticus regni Croatiae, Dalmatiae et Slavoniae. (kurz: Smičiklas) II. 1904 –. 55, 67, 97, 100.

11 Kinnamos: CB. 248; Delaville de Roulx J.: Cartulaire général des Hôpitaliers de S. Jean de Jérusalem (1100–1310). I. Paris 1894. 222.

12 Smičiklas II. 259, 263, 264, 265.

13 Vgl. Hóman V.: Geschichte des ungarischen Mittelalters. Berlin 1940. I. 433.

14 Smičiklas II. 309.

15 Die Regesten der Urkunden der ungarischen Herzöge hat Szentpétery E. für seine „Regesta‟ (siehe Anm. 3) zusammengestellt; die Handschrift des bisher nicht veröffentlichten Heftes hat für mich als Wegweiser gedient. Fast alle Urkunden der Herzöge von „Slavonien‟ sind im Codex diplomaticus von Smičiklas I. (siehe Anm. 9) gedruckt. Die Ausgaben der Urkunden des Herzogs Andreas siehe hier Bd. II. 293, 297, 308, 309, 338, 353, 355, 357, Bd. III. 6, 17. Kritisch wurden die Urkunden bisher nicht untersucht.

16 Als gefälschte Urkunden können wir die im Landesarchiv von Zara (Zadar) aufbewahrten Originale aus dem Jahre 1198 für den Bischof von Faro (Hvar) (unkritisch ediert bei Smičiklas II. 309) und von 1200 für das Kloster der Hl. Kosma und Damian (Ebda. II. 357) betrachten, ebenso den im Cartularium des Bistums von Agram (Zagreb) (XIV. Jh.) aufbewahrten Urkundentext von 1198, vgl. Karácsonyi J., Századok 46. (1912) 11.

17 Smičiklas Bd. II. 353, 355, 357, Bd. III. 6, 17.

18 Ebda. Bd. II. 293, 308, 309.

19 Kopialbuch „Mensa Episcopalis‟ des Erzbistums Spalato (Split) Erzbischöfliches Archiv, fol. 46 v–47 r.

20 Szentpétery: Regesta Nr. 567–577; vgl. noch 1222: dux totius Sclavonie (Smičiklas Bd. III. 219).

21 Siehe die Ausgaben bei Smičiklas I. Bd. III. 258, 299, 326, 341, 346, 369, 384, 414, 422, Bd. IV. 40, 42, 102, 123 und bei Fejér G.: Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis. Budae 1829–, (kurz: Fejér) Bd. VI/2. 363; Wenzel G.: Codex diplomaticus Arpadianus continuatus, Pest-Budapest 1860–, (kurz: Wenzel) Bd. VI. 477; Történelmi Tár Bd. 1898. 338; Szentpétery: Regesta Nr. 711. – Originalurkunden: 1237 und 1240: Staatsarchiv Budapest (Magyar Országos Levéltár), Diplomatische Abteilung, Dl. 217, 243; 1229: ehemals im Familienarchiv Szentandrássy; ohne Jahr (1229) für die Stadt Spalato: früher im Staatsarchiv Wien, heute angeblich im Landesarchiv Zara (Zadar); 1240: früher im Stadtarchiv von Petrina.

22 Smičiklas Bd. IV. 170, 178, 185, 186, 192, 230–231, 233, 241, 242 ff.

23 Szentpétery: Regesta nr. 1751–1917; ders.: Századok 55 (1921) 77–87.

24 Siehe die Ausgaben bei Smičiklas I., Bd. V. 477, 478, 479, 483, 485, 489, 491, 513, 514, 516, 517, 519, 520; Fejér IV/3. 400; Theiner A.: Vetera Monumenta historica Hungariam sacram illustrantia. Romae 1859. Bd. I. 311.

25 Sein angehängtes Reitersiegel wurde im Staatsarchiv Budapest aufbewahrt, Dl. 652.

26 Wertner M.: Az Árpádok családi története. Nagybecskerek 1892. 388–389.

27 Ebenda 463–472.

28 A … gróf Zichy család … okmánytára. – Codex diplomaticus … comitum Zichy. Pest 1871. Bd. I. 5–6.

29 Wertner M. (siehe Anm. 26) 473.

30 Ebenda 501–505.

31 Fejér V/2. 471.

32 Wertner M. op. cit. 504–505.

33 Ebenda 508–510.

34 Hazai Okmánytár. – Codex diplomaticus Patrius. Budapest 1891. Bd. VIII. 431.

35 Smičiklas Bd. VII. 214, 205; Wenzel Bd. X. 213.

36 Pauler Gy.: A magyar nemzet története az Árpádházi királyok alatt. Budapest 1899. II2 466 ff.; Smičiklas Bd. VII. 63, 396.